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Septimus Heap 03 - Physic

Titel: Septimus Heap 03 - Physic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angie Sage
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aber das machte sie nicht unbedingt schöner und bescherte ihm obendrein kalte Zehen. Er saß, in seinen Winterumhang aus Wolle gewickelt, da. In der Großen Kammer der Alchimie und Heilkunst war es heute Morgen kalt, denn der Ofen kühlte ab, nachdem er tagelang in Betrieb gewesen war.
    Die Große Kammer war ein großer runder Raum mit gewölbter Decke, der sich direkt unter dem Zentrum der Burg befand. Über der Erde war nichts von ihr zu sehen bis auf den Schornstein, der vom Ofen hinaufführte und Tag und Nacht giftige Dämpfe – und häufig auch recht interessant gefärbten Rauch – ausspie. Die Wände der Kammer säumten dicke Ebenholztische, die so gezimmert waren, dass sie sich deren Krümmung anpassten. Darauf standen, fein säuberlich in Reih und Glied und ordentlich beschriftet, große Flaschen und Glaskolben, die alle möglichen Substanzen und Lebewesen – tote wie lebendige und allerlei Formen dazwischen – enthielten. Obwohl die Kammer tief unter der Erde lag und kein Tageslicht zu ihr hinabdrang, war sie von einem hellen goldenen Leuchten erfüllt. Überall brannten große Kerzen, und ihr Schein spiegelte sich in einem Meer von Gold.
    In die Wand neben dem Eingang war der Ofen eingebaut, in dem Marcellus Pye zum ersten Mal in seinem Leben unedles Metall in Gold umgewandelt hatte. Der Anblick, wie stumpfes schwarzes Blei oder graues Quecksilber langsam zu einer leuchtend roten Flüssigkeit schmolzen und dann zu schönem sattgelbem Gold abkühlten, beglückte Marcellus so, dass seitdem kaum ein Tag vergangen war, an dem er – nur so zum Spaß – nicht wenigstens ein paar Unzen Gold gemacht hätte. Als Folge davon hatte Marcellus eine so riesige Menge Gold angehäuft, dass in der Kammer jeder Gegenstand, der sich irgend aus Gold fertigen ließ, auch aus Gold gefertigt war – die Angeln der Schranktüren, die Griffe und Schlüssel der Schubladen, Messer, Gestelle, Kerzenhalter, Türknäufe, Wasserhähne, einfach alles. Aber dies alles war nur Schickschnack und verblasste zur Bedeutungslosigkeit neben den beiden größten Goldbatzen, die Septimus je gesehen hatte und lieber nie zu Gesicht bekommen hätte: die Große Tür der Zeit.
    Dies war die Flügeltür, durch die er vor ganz genau einhundertneunundsechzig Tagen gezogen worden war. Sie war in die Wand gegenüber dem Ofen eingelassen und bestand aus zwei massiven Goldplatten, die drei Meter hoch waren. In die Platten waren lange Symbolketten eingraviert, bei denen es sich, wie Marcellus ihm mitgeteilt hatte, um Zeitberechnungen handelte. Die Tür wurde von zwei Standbildern flankiert, die scharfe Schwerter hielten, und sie war fest verschlossen, wie Septimus bald herausgefunden hatte. Und nur Marcellus hatte einen Schlüssel.
    Heute Morgen saß Septimus mit dem Rücken zu der verhassten Tür auf seinem gewohnten Platz, dem Rosensitz, neben dem Kopfende eines langen Tisches, der in der Mitte des Raumes stand und von Kerzen hell erleuchtet wurde. Vor ihm lag ein ordentlicher Stapel Papier. Er war das Ergebnis der Arbeit, die er am frühen Morgen vollbracht und die darin bestanden hatte, Marcellus Pyes astrologische Berechnungen ein letztes Mal gewissenhaft zu überprüfen und seinem großen Werk, wie er es nannte, den letzten Schliff zu geben.
    Am anderen Ende des Tisches saßen sieben Schreiber, denn Marcellus Pye hatte es mit der Zahl sieben. Normalerweise hatten die Schreiber wenig zu tun, starrten den lieben langen Tag nur Löcher in die Luft, bohrten in der Nase oder summten merkwürdige unmelodische Lieder. Septimus fühlte sich immer schrecklich einsam, wenn er diese Lieder hörte, denn ihre Töne waren merkwürdig gereiht und klangen ganz anders als alles, was er kannte. Heute freilich waren alle sieben Schreiber vollauf beschäftigt. Wie wild schrieben sie in ihrer allerschönsten Handschrift die letzten sieben Seiten des großen Werkes ins Reine, damit der Termin eingehalten werden konnte. Von Zeit zu Zeit unterdrückte einer ein Gähnen. Wie Septimus waren sie seit sechs Uhr in der Frühe fleißig bei der Arbeit. Und jetzt war es zehn Uhr, wie Marcellus jedem ins Gedächtnis rief, als er in die Kammer trat.
    Marcellus Pye war ein gut aussehender, etwas eitler junger Mann mit dichten schwarzen Locken, die ihm, nach der neuesten Mode, tief in die Stirn fielen. Er trug das lange schwarz-rote Gewand eines Alchimisten, das mit beträchtlich mehr Gold überzogen war als die Tracht des Lehrlings. Heute Morgen haftete sogar Goldstaub an seinen

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