Septimus Heap 03 - Physic
leisen, anerkennenden Pfiffen der Schreiber, denn es war ein schönes Buch geworden. Es war in weiches Leder gebunden, und der Titel war mit Blattgold belegt und von verschiedenen alchimistischen Symbolen umrankt, die Septimus mittlerweile kannte, obwohl es ihm lieber gewesen wäre, er hätte sie nie kennengelernt. Der Buchbinder hatte den Buchschnitt mit Marcellus Pyes ganz speziellem Blattgold vergoldet und das Buch auf ein dickes rotes Seidenband gelegt.
Um 13.25 Uhr erhitzte Marcellus in einem kleinen Kupfertopf Siegelwachs über einer Kerze.
Um 13.31 Uhr hielt Septimus das Buch, während Marcellus Pye schwarzes Siegelwachs über die beiden Enden des roten Bandes goss, um sie miteinander zu verbinden.
Um 13.33 Uhr drückte Marcellus Pye seinen Siegelring in das Siegelwachs. Das Buch Ich, Marcellus war versiegelt, und alle Anwesenden atmeten erleichtert auf.
»Das große Werk ist vollbracht«, sagte Marcellus, ehrfurchtsvoll das Buch in den Händen haltend und sichtlich um Worte ringend.
»Mir knurret der Magen«, störte die mürrische Stimme des Buchbinders Marcellus Pye in seinen Träumen von Größe. »Wir haben die Stund des Brotbrechens schon weit überschritten. Dahero will ich nicht länger säumen und wünsche einen guten Tag, Eure Exzellenz.« Der Buchbinder verbeugte sich und verließ die Kammer. Die Schreiber tauschten Blicke. Auch ihre leeren Mägen regten sich, aber sie trauten sich nicht, etwas zu sagen. Sie warteten, während der Letzte Alchimist, Träumen von Größe nachhängend, sein Großes Werk wie ein neugeborenes Kind in den Armen wiegte und bestaunte.
Doch allen Hoffnungen Marcellus Pyes zum Trotz sollte nie wieder ein Mensch sein Buch in Händen halten. Nach der Großen Alchimie-Katastrophe wurde es weggeschlossen und nie wieder hervorgeholt – bis zu jenem Tag, an dem der Lehrling der Außergewöhnlichen Zauberin seiner Zeit entrissen wurde und Marcia Overstrand das Siegel erbrach.
* 26 *
26. Der Zaubererturm
D i e Schreiber waren zum Essen gegangen und hatten Septimus zurückgelassen. Marcellus trat mit ängstlichem Blick zu seinem Lehrling. »Auf ein Wort, Junge«, sagte er und setzte sich auf den Hocker neben Septimus, auf dem normalerweise dessen persönlicher Schreiber saß. »Die Tinktur stehet gewisslich kurz vor der Vollendung und bedarf deiner Aufmerksamkeit.« Marcellus nickte in Richtung eines Glasschranks, der, von einem goldenen Sockel gestützt, auf einem der Ebenholztische am Rand der Kammer stand. In dem Schrank befand sich ein dreibeiniges Gestell aus Gold, und darauf thronte eine kleine Phiole, die mit einer dicken blauen Flüssigkeit gefüllt war. Obwohl Septimus nach dem arbeitsreichen Vormittag müde war, wollte er sich die Gelegenheit, Marcellus bei einer richtigen medizinischen Aufgabe zu helfen, nicht entgehen lassen. Also nickte er und erhob sich.
Neben dem Glasschrank stand eine neue Eichentruhe mit Eckbeschlägen und zwei dicken Bändern aus Gold – seine persönliche Medizinkiste, auf die er sehr stolz war. Marcellus hatte sie ihm geschenkt, als sie begannen, die Tinktur, die ewiges Leben spenden sollte, zu verändern. Sie war alles, was Septimus in dieser Anderzeit besaß, und sie enthielt seine sorgsam zu Papier gebrachten Notizen über Mixturen, Hustensäfte, Heilmittel und Tränke. Der kostbarste Schatz, den sie barg, war ein Rezept für ein Gegenmittel gegen die Seuche, dessen Abschrift säuberlich gefaltet auf dem Boden der Truhe lag. Seine Medizintruhe war das Einzige, was er nur ungern zurücklassen würde, falls er jemals Gelegenheit bekommen sollte, seinen Fluchtplan in die Tat umzusetzen – und der Plan dann auch tatsächlich gelingen sollte.
Doch obwohl die Truhe ihm gehörte, hatte er keinen Schlüssel dazu. Wie alles in der Großen Kammer der Alchimie und Heilkunst ließ sie sich nur mit einem einzigen Schlüssel öffnen – jenem Schlüssel, den Marcellus stets an einer dicken Goldkette um den Hals trug und den er mit einer großen goldenen Nadel innen an seiner Robe feststeckte. Ohne ein Auge von Septimus zu wenden, löste Marcellus jetzt die Nadel und zog die Kette hervor. Daran hing eine goldene Scheibe mit sieben eingravierten Sternen, die einen Kreis mit einem Punkt in der Mitte umgaben. Es war dieselbe Scheibe, die der alte Marcellus getragen hatte. Septimus betrachtete sie sehnsüchtig, denn er wusste, dass sie für ihn der Schlüssel zur Freiheit war, dass man mit ihr die Große Tür der Zeit öffnen konnte. Doch
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