Septimus Heap 03 - Physic
Sorge.
Dann war es an Alther, von einer schlechten Neuigkeit zu berichten. Als Jenna hörte, was Marcia in dem Buch Ich, Marcellus gefunden hatte, schrie sie erschrocken auf und schlug die Hände vors Gesicht. Septimus war fort. Für immer. Und sie war schuld.
Nicko legte ihr den Arm um die Schultern. »Du musst dir keine Vorwürfe machen, Jenna.«
Sie schüttelte den Kopf. Sie machte sich Vorwürfe.
»Also meines Erachtens ...«, sagte Alther, der zwischen Snorri und Alice saß, ganz unvermittelt, und alle sahen ihn an. Sein lila Gewand wirkte im Kerzenlicht erstaunlich greifbar, während ein kleiner Hoffnungsschimmer in ihm aufglomm. »... meines Erachtens gäbe es da vielleicht, nur vielleicht, eine Möglichkeit, ihn zu finden. Es ist natürlich ein riskantes Unterfangen, aber ...«
Und so saßen im obersten Stockwerk von Lagerhaus Nummer Neun ein Nachtgeschöpf und vier lebende Menschen bei Kerzenlicht um einen Tisch und lauschten einem Geist, der ihnen erklärte, wie sie Septimus vielleicht, nur vielleicht, retten könnten.
Unterdessen entschwand im Erdgeschoss von Lagerhaus Nummer Neun langsam die Heilige Herde von Sarn. Sie wurde zernagt, zermalmt und verschlungen, bis nichts mehr von ihr blieb als ein paar leere Kisten und ein zufriedener, nach Schaffell riechender Rülpser.
Nicht sehr weit von Lagerhaus Nummer Neun entfernt glitt eine königliche Barke auf einer über fünfhundert Jahre alten Geisterflutwelle stolz durch die Marram-Marschen. Sie legte an einem längst verschwundenen Landungssteg an, und während sie sanft schaukelnd im Mondlicht schimmerte, schritt ihre Besitzerin an Land und stapfte mit missbilligender Miene einen morastigen Weg hinauf, der zu einer kleinen strohgedeckten Hütte führte.
Königin Etheldredda ging durch die geschlossene Tür, und die Bewohnerin der Hütte, eine gutmütig aussehende Frau in einem weiten Flickenkleid, schaute verdutzt von ihrem Platz am Feuer auf, denn sie spürte, dass etwas Fremdes ins Zimmer drückte. Sie erzitterte, und ihre Kerze flackerte, als Königin Etheldredda an ihr vorbeischwebte. Tante Zelda stand auf und suchte mit ihren halb geschlossenen hellblauen Hexenaugen das gemütliche Zimmer ab, das auf einmal gar nicht mehr so gemütlich war. Doch so sehr sie sich auch anstrengte, sie konnte den Geist Etheldreddas, der auf der Suche nach Jenna umherschwebte, nicht ausmachen.
Tante Zelda wurde unheimlich zumute. Sie sah eine Störung über die Bücher und Tränkeflaschen an den Wänden wandern, als Etheldredda nach einer Geheimtür suchte, aber nur einen Wandschrank mit einer riesigen Flasche darin fand. Und als Etheldredda die Treppe ins Obergeschoss hinaufstieg, immer ihrer spitzen Nase nach, folgte ihr Tante Zelda, ohne zu wissen, warum.
Überzeugt, dass Jenna hier sei, durchsuchte Etheldredda den kleinen Dachraum von oben bis unten. Sie blies die Decken aller drei Betten zurück in der Erwartung, Jenna unter einer zu entdecken, fand aber nichts. Dann steckte sie ihre spitze Nase unter die Betten – nichts – und in Tante Zeldas Schrank, in dem lauter gleiche Flickenkleider hingen – wieder nichts.
Tante Zelda war außer sich. Sie wusste jetzt, dass ein rastloser Geist in ihrer Hütte umging. Sie rannte die Treppe hinunter und suchte nach ihrem Austreibungszauber. Unterdessen fand Etheldredda oben in der Dachkammer einen Gegenstand, den Tante Zelda für Jenna hier aufbewahrte: Jennas Silberpistole. Unter großer Willensanstrengung nahm Etheldredda die Pistole in die Hand, und im selben Moment begann Tante Zelda unten die Zauberformel zu sprechen. Ein muffiger Luftzug – denn der Zauber war alt und obendrein in einem feuchten Schrank aufbewahrt worden – fegte durch die Hütte und wehte Königin Etheldredda ins Freie, wo sie in den Ebbeschlamm des Mott plumpste. Sie rappelte sich auf und kehrte, die Pistole fest umklammernd, an Bord der königlichen Barke zurück.
In ihrer Kabine nahm sie, vor neugierigen Blicken Tante Zeldas geschützt, die Pistole genauer in Augenschein. Dann zog sie die kleine Silberkugel hervor, die sie aus Jennas Zimmer mitgenommen hatte, hielt sie mit ihrer immer fleischlicher werdenden Hand in die Höhe und betrachtete sie. Sie lächelte grimmig. In die Kugel waren die Buchstaben K.P. – das Kürzel für »Kindprinzessin« – geritzt. Sie war schon für Jenna bestimmt gewesen, als diese noch ein Säugling war. Es war ein Glücksfall, dachte Etheldredda, dass sie zufällig dem Geist jener Spionin begegnet war,
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