Septimus Heap 03 - Physic
Overstrand sie nicht in Sicherheit gebracht hätte. Als sie wieder in den Palast gezogen war, hatte sie vorgeschlagen, den Thronsaal verschlossen zu halten, und Alther, der diesen Raum auch nicht mochte, hatte bereitwillig zugestimmt.
Beim Anblick der ertrunkenen Prinzessin rissen die beiden Türpagen entsetzt die Augen auf, und der kleinere Junge quiekste vor Überraschung. Sie verbeugten sich tief, und mit einer tadellos einstudierten Bewegung stießen sie die Türflügel auf und geleiteten Jenna in den Thronsaal. Der Ritter des Tages, ein beleibter Mann mit freundlichem Gesicht und für diesen einen Tag zum Leibritter der Königin erkoren, hob erstaunt die Brauen, als er Jenna erblickte, und dann vollführte er eine tiefe und überaus komplizierte Verbeugung, zu der auch ausgiebiges Schlenkern mit den Armen und Lüften des Hutes gehörte.
Während er noch damit beschäftigt war, schweifte Jennas Blick in die Runde. Der Thronsaal war riesig. Er war der zweitgrößte Raum im Palast und beanspruchte die ersten fünf Fenster des Gebäudes, die auf das Palasttor und den alten Alchimieweg hinausgingen. Links war die Zaubererallee, und in der Ferne, hinter dem Großen Bogen, konnte Jenna den Zaubererturm in den rötlichen Himmel des Spätnachmittags ragen sehen. Die goldene Pyramide verschwand beinahe in dem magischen Dunst, der aus den Gemächern des Außergewöhnlichen Zauberers quoll und wirbelnd gen Himmel stieg.
Der Ritter des Tages beendete seine Verbeugung und stellte leicht pikiert fest, dass die Person, der sie gegolten hatte, aus dem Fenster schaute. Er hüstelte diskret. Jennas Aufmerksamkeit sprang in den Thronsaal zurück. Die Wände waren mit dicken Bildteppichen geschmückt, auf denen das Leben und die Abenteuer verschiedener Königinnen dargestellt waren. Am einen Ende prasselte ein Feuer in einem riesigen Kamin, am anderen saß auf einem reich verzierten goldenen Thron, mit kurzen, energischen Nadelstichen ihren Teppich stickend, die lebende, atmende und zutiefst missbilligend dreinschauende Königin Etheldredda.
»Oh nein!«, entfuhr es Jenna.
Der Ritter des Tages trat vor und richtete das Wort an die Königin, die sich noch nicht dazu bequemt hatte, den Kopf zu heben. »Euer Majestät«, sagte der Ritter, der Stunden brauchte, um zu sagen, wozu die meisten Leute nur Minuten brauchten, sofern sie sich überhaupt die Mühe machten, es zu sagen, »Euer allergnädigste und durchlauchtigste Majestät, darf ich zur Freude Eures Herzens und zum Tröste Eures mütterlichen Kummers von einer erstaunlichen Rückkehr künden, von einem rechten Wunder, auf das wir alle hoffeten, obschon wir fürchteten, dass es niemals würd eintreten?«
»Zur Sache, Mann«!, bellte Königin Etheldredda, zerriss einen Faden mit den Zähnen und band ärgerlich einen komplizierten Knoten.
»Eure ertrunkene Tochter , Euer Hoheit«, fuhr der Ritter fort und gestattete sich, seinen Worten einen, wie Jenna fand, leicht missbilligenden Ton zu geben. »Euer eigen Fleisch und Blut, Madam. Die zarte Rose, derowegen die Burg sich in den langen, hinter uns liegenden Monaten vor Kummer hat verzehret, jenen finsteren Monaten der leidvollen Trauer, die jetzo bloß noch schmerzliche Erinnerung sind ...«
Königin Etheldredda schleuderte zornig ihren Teppich zu Boden. »Um Himmels willen, Mann, hör er mit diesem geistlosen Geschwätz auf, sonst lass ich seinen Kopf bei Einbruch der Nacht aufs Palasttor spießen.« Der Ritter des Tages wurde aschfahl und bekam einen Hustenanfall. »Und unterlass er dieses ekelhafte Gestotter – was ist das?« Endlich hatte Königin Etheldredda Jenna erblickt.
»Da... da... das ist Eure vermisste Tochter, Euer Majestät«, antwortete der Ritter des Tages kleinlaut und unsicher, ob dies als geistloses Geschwätz gelten würde oder nicht.
»Das sehe ich auch«, brauste Etheldredda auf und ließ den Blick durch den Thronsaal schweifen, ausnahmsweise einmal um Worte verlegen, wie es schien. »Aber ... wie ...?«
»Diese beiden wackeren Gardisten, Euer Majestät«, fuhr der Ritter des Tages fort und deutete mit ausladender Geste auf die beiden Palastwächter, die Jenna flankierten und jetzt in Habachthaltung strammstanden, »trafen die Freude Eures Herzens ziellos umherirrend und heulend in den Niederungen des Palastes an.«
Jenna ärgerte sich, verkniff sich aber eine Bemerkung. Sie hatte überhaupt nicht geheult!
»Dann ins Verließ mit ihnen!«, bellte Etheldredda. Zwei stämmige Soldaten traten aus dem
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