Septimus Heap 04 - Queste
flüsterte Beetle.
»Gute Nacht, Fiedel.«
»Nacht, Fiedel«, kamen die Antworten.
* 32 *
32. Nächtliche Überfahrt
W ä hrend Jenna, Septimus und Beetle in Wolfsjunges Biege traumlos schliefen und Ullr den Geräuschen des Waldes lauschte, befand sich ein kleines Fährboot auf einer gefährlichen Überfahrt zur Burg. Der Fährmann hatte einen hohen Preis für die Fahrt ausgehandelt, und dennoch bereute er es bereits, denn Strömung und Wind waren stark, und als sie die Mitte des Flusses erreichten, schwappte mit jeder Welle, die gegen das Boot schlug, Wasser ins Innere.
Auch die Fahrgäste begannen, die Fahrt zu bereuen.
»Wir hätten bis zum Morgen warten sollen«, jammerte Lucy Gringe, als der Kahn beängstigend krängte und ihr Magen sich in die entgegengesetzte Richtung schob.
»Mach dir keine Sorgen, Lucy«, sprach ihr Simon Heap Mut zu. »Ich habe schon Schlimmeres erlebt.« Das war zwar gelogen, aber jetzt war nicht die rechte Zeit für übertriebene Wahrheitsliebe.
Lucy sagte gar nichts mehr, denn sie fürchtete, dass sie sich dann übergeben müsste, und sie wollte nicht, dass Simon das sah. Ein Mädchen musste immer den Schein wahren, sogar in einem schäbigen kleinen Ruderboot. Sie schloss ganz fest die Augen und konzentrierte sich auf ihre Gedanken. Das entsetzte Gesicht, das Simon heute Nachmittag bei ihrer Rückkehr ins Observatorium gemacht hatte, ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. »Lucy«, hatte er ihr in panischer Angst zugeflüstert, »geh sofort wieder die Treppe runter und sattle Donner. Sofort!«
Lucy hatte es nicht gern, wenn Simon ihr Vorschriften machte, und normalerweise wagte er das auch gar nicht. Aber diesmal spürte sie, dass es wichtig war. Sie rannte die Treppe mit den schlüpfrigen Schieferstufen hinunter, an der grusligen alten Magog-Kammer vorbei, und als Simon zu ihr stieß, war Donner bereits wieder gesattelt und bereit zum Aufbruch. Sie hatte Simon gefragt, was denn geschehen sei, aber alles, was er sagen wollte, war: »Ich habe einen Sichtzauber gewirkt.«
Jetzt näherten sie sich dem anderen Ufer, und das Wasser wurde ein wenig ruhiger. Lucy atmete auf. Wenn es stimmte, was Simon gesagt hatte – nämlich dass sie nie wieder einen Fuß in dieses grässliche Observatorium setzen würden –, wäre sie wirklich sehr froh, aber noch lieber wäre es ihr, sie würden nicht in die Burg zurückkehren. Sie würde viel lieber nach Port weiterreisen. Port gefiel ihr. Dort war es viel lustiger als in der Burg. Außerdem bestand dort keine Gefahr, dass sie zufällig ihrer Mutter oder ihrem Vater über den Weg lief.
Doch der wichtigste Grund, warum Lucy nicht in die Burg zurückwollte, war Simon selbst. Simon hatte anscheinend ganz vergessen, dass er vor fast einem Jahr aus der Burg hatte fliehen müssen. Lucy wusste nicht genau, was geschehen war, aber sie hatte allerhand schlimme Dinge gehört. Die meisten glaubte sie zwar nicht, aber einige waren wahr, das wusste sie. Ihr Bruder Rupert hatte gesehen, wie Simon einen Feuerblitz gegen Septimus, Nicko und Jenna schleuderte, und sie war sich sicher, dass Rupert nicht schwindelte. Und es gab noch mehr Geschichten. Zum Beispiel, dass Simon unter Zuhilfenahme von DomDaniels Knochen versucht habe, Marcia mit einem bösen Zauber zu belegen, und dass ihm das beinahe geglückt wäre. Oder dass Marcia damit gedroht habe, Simon für immer ins Gefängnis zu werfen, falls er je wieder einen Fuß in die Burg setzen sollte.
Lucy betrachtete ihren schönen Ring – der selbstverständlich nicht vom Räumungsverkauf in Drago Mills Lagerhaus stammte – und seufzte. Warum konnten sie und Simon kein normales Leben führen? Warum konnten sie nicht wie alle anderen sein? Ihre Hochzeit planen, eine Wohnung suchen – ein bescheidenes Zimmer in den Anwanden würde genügen. Warum konnte sie nicht mit Simon ihre Eltern besuchen, warum konnten Rupert und er nicht Freunde werden? Warum? Das war ungerecht. Einfach ungerecht.
Das Boot legte an der Anlegestelle für Nachtfähren an, direkt unterhalb von Sally Mullins Tee- und Bierstube. Der Fährmann Micky Mullin, einer der zahlreichen Neffen Sallys, machte erleichtert das Boot fest und wünschte seinen durchnässten Fahrgästen eine gute Nacht. Er sah ihnen nach, wie sie wackelig in Richtung Südtor gingen – das, wenn man wusste, wo man nachzusehen hatte, über eine kleine Pforte verfügte, die die ganze Nacht offen war –, und fragte sich, was sie wohl vorhatten. Obwohl Simon die Kapuze tief
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