Septimus Heap 04 - Queste
du hier bist – niemand«, sagte sie zu ihm. »Du musst dich mit Lucy im Palast verstecken, bis wir eine Lösung gefunden haben.«
Lucy gähnte und wankte schläfrig hin und her. Sarah verstand. Vorsichtig setzte sie die Ente auf den Boden und erhob sich. »Ihr müsst müde sein«, sagte sie und schenkte Lucy ein besorgtes Lächeln. »Wie wär’s, wenn wir euch ein bequemes Bett suchen?« Lucy nickte dankbar. Sie fand Simons Mutter nett.
Eine halbe Stunde später schlief Lucy tief und fest im warmen Bett eines riesigen Gästezimmers mit Blick auf den Fluss. Simon jedoch, der einen Stock höher unterm Dach einquartiert war, starrte trübsinnig aus dem Fenster. Und da merkte er, dass etwas nicht stimmte ... da fehlte etwas. Die Lichter des Zaubererturms waren nicht zu sehen. Er riss das Fenster auf und spähte in die stürmische Nacht hinaus. Unter sich sah er die verstreuten Lichter der Burg. Die Fackeln an der Zaubererallee flackerten und tanzten im Wind, aber die große lila Leiter, die magischen Lichter, die sonst immer den Himmel über der Burg erhellten, waren einfach nicht da.
Simon wusste, dass er unmöglich in seiner kleinen Kammer bleiben und sich den Kopf darüber zerbrechen konnte, was im Zaubererturm vorging – er musste es herausfinden. Als er langsam und vorsichtig die quietschende Zimmertür öffnete und auf Zehenspitzen über den Flur schlich, kam er sich albern vor wie ein kleiner Junge, der sich davonstahl, um ein Abenteuer zu erleben, obwohl ihm die Mutter gesagt hatte, er solle zu Hause bleiben und seine Hausaufgaben machen. Er war so damit beschäftigt, keinen Lärm zu machen, dass er nicht bemerkte, wie Merrin, der soeben von einem weiteren nächtlichen Besuch in Mutter Custards Süßwarenladen zurückkam, auf der obersten Treppenstufe auftauchte. Bei Simons Anblick hätte sich Merrin vor Schreck beinahe an seinem letzten Bananen-Schinken-Kaubonbon verschluckt. Er blieb abrupt stehen und duckte sich hinter einen dicken Balken an der Wand.
Merrin war wie gelähmt vor Angst, als sein alter Meister auf Zehenspitzen vorbeihuschte. Er wollte seinen Augen nicht trauen. Wie hatte Simon ihn gefunden? Woher wusste er, dass er hier war? Er wagte nicht einmal, den Kopf zu drehen, und beobachtete, wie Simon die Treppe hinunterschlich und dabei so vorsichtig auftrat wie er selbst in seinen ersten Tagen im Palast.
Simon schlüpfte durch einen Nebeneingang ins Freie, und bald schritt er die Zaubererallee hinauf, dem Dunkel entgegen, das, wie er wusste, den Zaubererturm barg. Trotz allem, was er getan hatte – und was er heute selbst kaum glauben konnte, was hatte er sich nur dabei gedacht? –, trotz allem hatte er immer noch ein starkes Interesse am Zaubererturm. Tief in seinem Innern wollte er immer noch Außergewöhnlicher Zauberer werden. Nur nicht mehr mit den Mitteln der schwarzen Magie. Das empfand er inzwischen als Betrug. Er wollte sein Ziel auf anständige und ehrliche Weise erreichen, damit Lucy stolz auf ihn sein konnte.
Im Grunde wusste Simon, dass sein Traum niemals in Erfüllung gehen würde. Und dennoch zog es ihn zum Zaubererturm hin, dennoch wollte er wissen, was dort vor sich ging.
Als er sich dem Großen Bogen am Eingang zum Hof näherte, sah er davor eine größere Menge von Burgbewohnern versammelt, die leise und aufgeregt miteinander sprachen. Offensichtlich war er nicht der Einzige, dem aufgefallen war, dass die magischen Lichter erloschen waren. Er zog sich die Kapuze tief ins Gesicht und quetschte sich, alle Proteste ignorierend, zum Bogen durch, bis plötzlich zwei große Gestalten vor ihm standen, die ein magischer Nebel umgab. Die beiden gehörten, was er freilich nicht wusste, zu den sieben Questenwächtern, die gekommen waren, um den Lehrling auf die Queste zu geleiten. Als er zielstrebig auf sie zutrat, kreuzten sie unter lautem Krachen die Schäfte ihrer Piken und versperrten ihm den Weg durch den Bogen.
»Halt!«, brüllten sie. Simon blieb stehen. Er nahm seinen Mut zusammen und fragte: »Was geht hier vor?«
»Belagerung!«, lautete die knappe Antwort.
Ein besorgtes Murmeln lief durch die Menge hinter Simon.
»Warum?«, fragte er.
Die Antwort der Wächter kam prompt und fiel anders aus als erwartet. Sie zückten ihre Dolche und stachen nach Simon, wobei einer seinen Umhang aufspießte.
»Pack dich!«, bellten sie.
Die Menge stob auseinander. Erschrocken riss Simon seinen Mantel von der Dolchspitze los und ging so langsam, wie er sich traute, davon. Davon
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