Septimus Heap 04 - Queste
bis Septimus alt genug ist, damit umzugehen. Das ist kein Spielzeug. Du kannst jetzt wieder versiegeln, Beetle.«
Zu den Dingen, die Beetle im Manuskriptorium gelernt hatte, gehörte auch, dass er wusste, wann man besser den Mund hielt. Und jetzt war so ein Augenblick. Er nahm die Kerze aus seiner Laterne und stellte sie unter ein kleines Dreibein, auf dem ein Messingtiegel stand. Dann zog er ein Messer und einen großen Klumpen rotes Siegelwach aus der Schublade, schälte etwas Wachs ab und ließ die Späne in den Tiegel fallen. Er wartete, bis das Wachs zu einer dunkelroten Pfütze zerschmolzen war. Dann goss er eine Hälfte davon behutsam über das Ende der Karte und die andere so über die Urne, dass der Wulst zwischen Rand und Stöpsel bedeckt wurde. Als das Wachs beinahe hart war, nahm Marcia das Echnaton-Amulett vom Hals und drückte es in das Wachs, sodass der unverwechselbare Drachenstempel auf den Siegeln zurückblieb.
Marcia blickte Beetle nach, als er wieder in den hinteren Gewölben verschwand. Aus überraschend weiter Ferne hörte sie das leise Kratzen des Lapislazuli auf Stein, als er die Urne wieder an ihren Platz in einem dunklen Regal stellte, wo sie vor neugierigen Blicken geschützt war. Gleich darauf vernahm sie das Klicken des Schlosses, als er Die Lebendkarte dessen, was darunter liegt wieder in ihre Ebenholztruhe legte.
»War der Besuch ein Erfolg?«, fragte Tertius Fume mürrisch, als sie die Gewölbe verließen. »Ich hoffe, Sie haben nichts allzu Alarmierendes entdeckt?«
»Ich wusste, dass er versuchen würde, uns nachzuspionieren«, zischte Marcia entrüstet, als sie Beetle durch den Zickzackgang nach oben folgte. »Geschieht ihm recht. Ich habe den Türalarm nämlich mit einem Stachel versehen.«
Beetle kicherte. Marcia ließ nicht mit sich spaßen.
* 9 *
9. Ein Zimmer mit Ausblick
D a s Gespenst kaute gelangweilt an seinen Fingerkuppen und zog mit seinen schwarzen Zähnen lange Hautfetzen ab. Zornig starrte es seinen Meister an – ein Nichtsnutz in seinen Augen – und verfluchte sein Pech, ausgerechnet einem solchen Dummkopf dienen zu müssen. Sein Meister, in seliger Ahnungslosigkeit, welche Wellen der Verachtung da gegen ihn anbrandeten, war ebenfalls fleißig mit Kauen beschäftigt. Merrin lehnte träge an dem alten Glockenturm gegenüber dem Palast und aß eine Lakritzschlange, die allererste echte Süßigkeit, die er in seinem Leben probierte. Nach der unliebsamen Begegnung mit Beetle im Manuskriptorium war er durch die Anwanden gestreift, und dabei hatte er Mutter Custards Süßwarenladen entdeckt, der versteckt am anderen Ende der Burg, in der Zuckerhutgasse neben dem alten Hafen, lag und täglich rund um die Uhr geöffnet hatte. Während das Gespenst mit seinem Sack Knochen draußen wartete und einen wabernden Nebel erzeugte, der andere Kunden abschreckte, bestaunte Merrin drinnen eine halbe Ewigkeit lang all die süßen Naschereien. Mutter Custard war Kundschaft gewohnt, die stundenlang zwischen Zitronenbatzen und Knallbrause schwankte, und ließ ihn gewähren. Am Ende hatte sich Merrin für Lakritzschlangen entschieden, weil sie ihn an die schwarze Schlange erinnerten, die Simon Heap hielt, und weil er wissen wollte, wie Schlange wohl schmeckte.
Jetzt kaute er genüsslich an seinem letzten Lakritzstückchen, blickte hinauf zu den Fenstern des Palastes – ein niedriges, lang gestrecktes und freundliches Gebäude – und begann, sie zu zählen. In diesem Augenblick kam ihm die Idee. Wieso Geld verschwenden und ein Zimmer mieten? Wenn er nur daran dachte, wie viele Lakritzschlangen er sich für eine ganze Wochenmiete kaufen konnte! Und überhaupt, die Burg war sein Zuhause – er konnte wohnen, wo er wollte. Und damit basta!
Und wo wohnte es sich besser als im Palast? Merrin schluckte den Schwanz der Schlange entschlossen hinunter. Problem gelöst.
Er wusste, wie man heimlich in Häuser eindrang, besonders in solche, die man nicht betreten durfte. So war es für ihn ein Kinderspiel, unbemerkt durch die enge, von hohen Mauern gesäumte Gasse zu schleichen, die außen um das Palastgelände herum zu der kleinen Pforte in der Umfriedung des Gemüsegartens führte. Die Pforte war wie gewöhnlich nicht verschlossen. Sarah Heap ließ sie gerne offen, damit ihre Freundin Sally Mullin am Vormittag auf einen Plausch vorbeischauen konnte, ehe sie vor dem Mittagsandrang wieder in ihr Cafe zurückmusste.
Merrin hatte die Absicht, eines Tages den gesamten Palast mit
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