Septimus Heap 04 - Queste
Vorbereitungen für seine erste Projektion, die ein wichtiger Meilenstein in der Ausbildung jedes Lehrlings war. Bei der ersten Projektion war es Brauch, dass der Lehrling einen kleinen Gegenstand aus dem Alltag auswählte und dann versuchte, irgendwo in den Gemeinschaftsräumen des Turms ein naturgetreues Bild dieses Gegenstands zu projizieren, das so überzeugend wirkte, dass es für echt gehalten wurde. Jede Projektion war ein spiegelverkehrtes Bild des Originals, doch solange der Lehrling keinen Gegenstand wählte, der mit Schriftzeichen versehen war, fiel das normalerweise nicht ins Gewicht. So konnte es vorkommen, dass ein scheinbar harmloser »Besen« in einer dunklen Ecke lehnte, ein »Figürchen« auf einem unerreichbar hohen Fenstersims thronte oder plötzlich ein neuer »Mantel« im Schrank hing. Während der ersten Projektion war im Turm stets eine gewisse Aufregung zu spüren. Die Zauberer, die geflissentlich so taten, als wären sie mit ganz anderen Dingen beschäftigt, streiften umher, stupsten alle möglichen verdächtigen Gegenstände an und schlossen Wetten darüber ab, was der Lehrling wohl projizieren würde.
Nun, da Septimus im Projektionsraum eingesperrt war, ging Marcia daran, die letzten Spuren von Feuerspei im Hof zu beseitigen – genauer gesagt, sie betraute Catchpole mit dieser Aufgabe. Doch noch am selben Abend schloss sich Catchpole im Schrank für alte Zauber ein und wollte nicht mehr herauskommen. Verärgert ließ Marcia der Unterzauberin Hildegard, die im Palast den Türdienst versah, ausrichten, sie solle auf der Stelle in den Zaubererturm kommen.
Hildegard träumte schon so lange davon, in den Zaubererturm gerufen zu werden, dass sie über die Nachricht außer sich vor Freude war. Sie rannte den ganzen Weg und kam zerzaust und keuchend im Turm an. Doch statt des erhofften Postens als Gewöhnliche Zauberin bekam sie nur einen großen Besen und einen noch größeren Eimer. Energisch wie immer, krempelte sie die Ärmel hoch und machte sich an die Arbeit. Jeder Auftrag im Zaubererturm, so sagte sie sich, brachte sie ihrem Traum einen Schritt näher. Am nächsten Morgen war Hildegard Terry Tarsais erste Kundin. Sie kaufte sich ein Paar derbe, wasserfeste Stiefel.
Kaum hatte die scharfäugige Hildegard ihren Posten im Palast verlassen, wurde Merrin kecker. Er schlich nicht mehr durch die Korridore, sondern durchschritt sie mit großspurigem Gang. Zweimal wäre er beinahe mit Jenna zusammengestoßen, die unerwartet um eine Ecke bog. Beim zweiten Mal war er versucht, an ihr vorbeizugehen, nur um festzustellen, ob sie ihn überhaupt bemerkte, doch im letzten Augenblick besann er sich anders und versteckte sich hinter einem Vorhang.
Jenna hätte ihn möglicherweise tatsächlich nicht bemerkt, wenn er an ihr vorübergegangen wäre. Sie war in Gedanken zu sehr mit Nicko und der Karte beschäftigt. Mindestens zweimal am Tag schaute sie im Manuskriptorium vorbei, um mit Beetle zu sprechen. Er freute sich über ihre Besuche, doch jedes Mal, wenn das Ping der Tür ertönte – oder vielmehr dieses besondere Pi-ing, das die Tür, wie er fest glaubte, nur machte, wenn Jenna sie aufstieß –, musste er seinen Mut zusammennehmen und ihr sagen, dass er nichts Neues von Ephaniah Grebe gehört hatte. Am dritten Tag, an dem Jenna vorbeischaute, hatte er endlich Neuigkeiten, nur leider keine guten.
Es war später Nachmittag, und dunkle Wolken ließen es noch später erscheinen. Beetle hatte gerade eine Kerze entzündet und auf seinen Schreibtisch gestellt und bereitete sich auf seinen letzten Inspektionsgang an diesem Tag, den Schließgang, vor, als es Pi-ing machte, die Tür aufflog und Jenna hereinschneite. Sie drückte die Tür wieder zu, strich sich das zerzauste Haar aus den Augen, rückte ihr goldenes Diadem zurecht und fragte mit bangem Blick: »Irgendwas Neues?«
Vor diesem Moment hatte Beetle gegraut. »Äh ... ja ... aber nichts Erfreuliches, fürchte ich. Heute Morgen lag diese Nachricht auf meinem Schreibtisch.«
Er reichte Jenna ein großes weißes Blatt Papier. Darauf stand: Betrifft: alte Papierfragmente. Wichtiges Stück fehlt. Bitte um weitere Anweisungen.
»Das war wohl zu erwarten«, seufzte Beetle.
»Aber wir haben doch alles abgesucht«, widersprach Jenna. »Und als ich zurückkam, habe ich noch mal nachgesehen. Und sicherheitshalber am nächsten Tag noch einmal. Das kann doch nicht...« Ihre Stimme verlor sich. Jetzt, wo sie darüber nachdachte, wurde ihr klar, dass es ein
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