Septimus Heap 04 - Queste
befunden hat, seit sie in eurem Besitz ist?
»Ja, auf jeden Fall.«
Dann ist das Stück wohl verloren. Möglicherweise hat es ein Vogel in sein Nest getragen. Oder der Wind hat es in den Fluss geweht. Wer weiß?
»Ephaniah«, sagte Jenna. »Können Sie die Karte ohne das fehlende Stück wieder zusammensetzen? Dann hätten wir wenigstens den größten Teil.«
Bei einer unvollständigen Zusammensetzung wird Hitze freigesetzt. Es besteht die Gefahr, dass die Papierfetzen Feuer fangen.
»Das Risiko wäre es wert«, sagte Jenna mit einem Blick zu Septimus und Beetle. Beide nickten.
Ephaniahs Augen lächelten, und er verbeugte sich leicht zu Jenna hin – solch schwierige Aufgaben liebte er. Ich habe bereits jedes Teil mit einem Bindemittel bestrichen und dabei besonders auf die Ränder geachtet. Jetzt werde ich die Zaubermittel auswählen. Er entkorkte eine große Glasflasche. Sie enthielt verschiedene gelb-schwarz gestreifte Scheiben, in denen Jenna sofort Charms erkannte.
Bitte zurücktreten.
Sie zogen sich zur Tür zurück und sahen von dort aus zu. Der Konservator hielt in jeder Hand, ganz vorsichtig zwischen Zeigefinger- und Daumennagel, einen Charm und strich damit über jeden einzelnen Papierschnitzel. Dabei entwickelte sich über dem Tisch ein trüber gelber Rauch, der sich wie eine weiche Nebeldecke auf die Papierschnitzel senkte. Dann hob Ephaniah die Arme, als dirigiere er ein unsichtbares Orchester, streckte die Hände über den Tisch und öffnete sie mit den Handflächen nach unten. Wie zwei große schwerfällige Hummeln schwebten die Charms nach unten und begannen, in entgegengesetzten Richtungen über dem Rauch zu kreisen, während Ephaniah über den Schnitzeln langsame, ruderartige Bewegungen machte. Ein Geruch nach heißem Papier erfüllte die Luft, und Jenna schloss die Augen – sie wollte nicht sehen, wie die Karte in Flammen aufging.
Plötzlich gab Ephaniah ein Quieken von sich, und Septimus und Beetle klatschten Beifall. Jenna öffnete die Augen gerade rechtzeitig um zu sehen, wie sich die gelbe Nebeldecke zusammenrollte und den Blick auf ein darunterliegendes großes Stück Papier freigab – die Karte war wieder zusammengesetzt.
Ephaniah wandte sich seinen Zuschauern zu, machte eine Verbeugung und winkte sie zu sich. Jenna konnte kaum glauben, wie gut die Karte aussah. Sie war makellos glatt, als sei sie niemals zusammengefaltet, geschweige denn zerdrückt und in eine schlammige Pfütze getreten worden. Snorris Zeichnungen waren klar und deutlich zu sehen und enthielten viele wunderbare Details. Im ersten Moment dachte Jenna, Ephaniah habe sich getäuscht und die Karte sei vollständig, doch Septimus belehrte sie eines Besseren.
»Da ist ein Loch in der Mitte«, sagte er. »Ein großes Loch.«
Es stimmte. Und irgendwo in der Mitte des Lochs lag das Foryxhaus, der Ort, an dem sich alle Zeiten begegneten.
Jenna wollte sich nicht entmutigen lassen. »Das macht nichts«, sagte sie. »Von der Karte ist noch so viel übrig, dass sie uns ein großes Stück des Weges weisen kann, und wenn wir an das Loch in der Mitte kommen, können wir das Foryxhaus wahrscheinlich schon sehen.«
»Aber Snorri hatte auf das fehlende Stück alle möglichen Sachen gezeichnet, weißt du nicht mehr?«, sagte Septimus. »Ich gehe jede Wette ein, dass die wichtig waren.«
»Aber du weißt es nicht mit Gewissheit«, entgegnete Jenna ärgerlich. Sie fand, dass Septimus die Dinge mal wieder viel zu schwarz sah. »Hör zu, Sep, ich gehe, ob du mitkommst oder nicht. Ich nehme das Boot nach Port, suche mir ein Schiff und ...«
»He, nicht so schnell, Jenna. Natürlich komme ich mit. Du kannst mich nicht davon abhalten. Und Beetle kommt auch mit, nicht wahr, Beetle?«
»Ich?«
»Oh ja, bitte komm mit, Beetle«, flehte Jenna. »Bitte.«
Beetle war verdutzt – Jenna wollte, dass er mitkam. Auf einmal fühlte er sich wie befreit. Er war nicht mehr tagaus, tagein ans Manuskriptorium gefesselt. Er konnte tun, was er wollte. Er konnte sein Leben leben und ähnlich interessante Dinge tun wie Sep. Es war erstaunlich. Aber ... Beetle seufzte. Es gab immer ein Aber.
»Ich muss meiner Mum Bescheid sagen«, sagte er geknickt. »Sie wird verzweifelt sein.«
* 27 *
27. Botenratten
D e r Osttor-Wachturm stand merkwürdigerweise auf der Westseite der Burg. Eine besonders kleinliche Königin hatte ihn vor so vielen Jahren versetzen lassen, dass sich niemand mehr daran erinnerte, warum. Der kleine, runde Turm saß fröhlich
Weitere Kostenlose Bücher