Septimus Heap 05 - Syren
Igelfrisur erschien aus der Hafenmeisterei und ging zur Plünderer hinüber, blieb auf dem Kai stehen und begann ein lebhaftes Gespräch mit dem Skipper. Simon starrte die Frau an. Er war sich sicher, dass er sie irgendwoher kannte. Er kramte in seinem Gedächtnis, und plötzlich fiel ihm ihr Name wieder ein – das war Una Brakket. Er hatte im Zusammenhang mit einer Angelegenheit um ein paar Knochen mit ihr zu tun gehabt, einer Angelegenheit, die er am liebsten vergessen würde. Was, so fragte er sich, hatte Una Brakket mit dem Skipper zu schaffen? Der Junge und der Glatzkopf kamen zurück, die Arme voller Taue – der Junge trug so viele, dass er aussah wie ein Tauknäuel mit Beinen. Der Skipper schickte sie zurück, um noch mehr zu holen, und setzte seine Unterhaltung fort.
Für Simons Geschmack gaben der Skipper und Una Brakket ein merkwürdiges Paar ab, aber man wusste ja nie. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass er und Lucy ... Er schüttelte den Kopf und verbot sich, weiter an Lucy zu denken. Bestimmt hatte sie einen anderen gefunden, und er musste sich damit abfinden. Er beobachtete, wie Una Brakket dem Skipper ein kleines Päckchen aushändigte, dann die Daumen nach oben reckte und mit großen Schritten entschwand. Kein besonders romantischer Abschied, dachte Simon trübselig – aber wen kümmerte das? Liebe war Zeitverschwendung.
Zeitverschwendung hin oder her, jedenfalls konnte sich Simon nicht vom Fenster losreißen. Die Schatten wurden länger, und der Wind frischte auf und blies von Zeit zu Zeit ein Pasteteneinwickelpapier über die alten Pflastersteine. Auf dem Wasser löste der Höchststand der Flut Betriebsamkeit aus. Die letzten Netze wurden verstaut, und Fischer begannen, ihre Segel zu entrollen und ihre Boote zum Auslaufen klarzumachen. Die Plünderer hatte am Heck bereits ihr schweres rotes Stagsegel gesetzt, und die Mannschaft war gerade dabei, das Großsegel hochzuziehen.
Simon spürte, wie ihm die Augenlider zufielen. Seit Lucys Verschwinden hatte er kaum geschlafen, und die spätnachmittägliche Müdigkeit überkam ihn. Er lehnte die Stirn gegen die kalte Fensterscheibe und schloss kurz die Augen. Vielstimmige Rufe rüttelten ihn wach.
»He!«
»Das bringt Unglück! Schaut weg, schaut weg!«
»Leinen los! Leinen los!«
Die Mannschaft der Plünderer war fieberhaft damit beschäftigt, die letzten Schiffstaue loszumachen und das Boot von der Kaimauer abzustoßen. Und während Simon sich noch fragte, was sie in solche Panik versetzt haben konnte, sah er einen Jungen und ein Mädchen, beide schmutzig und pitschnass, Hand in Hand über den Platz rennen. Das Mädchen zog den Jungen hinter sich her, und ihre Zöpfe flatterten genau wie die Zöpfe seiner Lucy und ...
Simon war aus der Tür, sprang, immer drei Stufen auf einmal nehmend, die schmale Treppe hinunter, flog förmlich durch das hohe Zollhaus nach unten, schlitterte um die Kurven, preschte durch die Reihe der soeben zurückkommenden Schulkinder, sodass sie nach allen Seiten auseinanderstoben, und kam gerade noch rechtzeitig auf den Platz, um zu sehen, wie Lucy mit dem barfüßigen Jungen an ihrer Seite an Bord der auslaufenden Plünderer sprang.
»Lu...«, begann Simon, aber sein Schrei brach jäh ab. Ein lautes Brausen wie von einem Ofen ertönte hinter ihm, und etwas Dunkles stieß ihn zur Seite. Simon purzelte durch ein Gewirr von Tauen, stieß mit dem Kopf gegen einen Anker, stürzte ins grüne Wasser, sank nach unten und blieb auf dem Grund des Hafenbeckens liegen.
* 12 *
12. Vom Regen in die Traufe
S i mon lag fünf Meter unter der Wasseroberfläche auf dem steinigen Grund des Hafenbeckens und fragte sich, was ihn wohl dazu bewogen hatte, es sich in einer so ungemütlichen und feuchten Umgebung bequem zu machen. Verträumt schaute er durch das trübe Grün nach oben. Weit über ihm schaukelten die dunklen Rümpfe der Fischerboote in der Dünung, lange Seegrashalme wehten von muschelüberkrusteten Kielen. Ein Aal schwamm durch sein Blickfeld, und ein paar Fische zuzeiten neugierig an seinen Zehen. In seinen Ohren vermischten sich das Glucksen und Plätschern des Wassers mit dem Klacken der Steine auf dem Grund und dem dumpfen Poltern der Schiffsrümpfe, wenn sie über ihm aneinanderstießen. Er sah zu, wie sein Umhang in der kalten Strömung der auflaufenden Flut träge hin- und herschwang, und er fand alles sehr eigenartig.
Simon verspürte nicht das Bedürfnis zu atmen. Die Schwarzkunst der
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