Septimus Heap 05 - Syren
sind drei Minuten und...«, die Obermagieschreiberin blickte auf die Uhr, die an ihrer rundlichen Taille hing, »... und zweiundfünfzig Sekunden zu spät.«
Marcia entfuhr ein ärgerliches Schnauben.
Jillie Djinn überhörte es. »Aber ich kann Ihnen in siebzehn Tagen einen neuen Termin geben ... wollen mal sehen ... Punkt drei Uhr einunddreißig.«
»Jetzt sofort«, blaffte Marcia.
»Ausgeschlossen«, erwiderte Jillie Djinn.
»Wenn Beetle hier wäre ...«
»Mr. Beetle ist aus dem Dienst ausgeschieden«, unterbrach Jillie Djinn frostig.
»Wo ist denn Ihr neuer Gehilfe?«, fragte Marcia.
Jillie Djinn blickte verlegen. Merrin fehlte schon den zweiten Tag hintereinander. Selbst sie beschlichen erste Zweifel, ob sie mit ihrer jüngsten Einstellung eine glückliche Wahl getroffen hatte. »Er ist... äh ... anderweitig beschäftigt.«
»Ach ja? Was für eine Überraschung. Nun gut, da Sie so unterbesetzt sind, werde ich wohl ohne Begleitung in die Gewölbe hinuntermüssen.«
»Nein. Ausgeschlossen.« Die Obermagieschreiberin verschränkte die Arme und sah die Außergewöhnliche Zauberin herausfordernd an.
Marcia nahm die Herausforderung an. »Miss Djinn, wie Sie sehr wohl wissen, habe ich das Recht, die Gewölbe jederzeit zu inspizieren, und nur der Höflichkeit halber vereinbare ich mit Ihnen einen Termin. Doch an Höflichkeit scheint es hier bedauerlicherweise zu mangeln. Ich habe die Absicht, jetzt sofort in die Gewölbe zu gehen.«
»Aber Sie waren doch erst letzte Woche unten«, protestierte Jillie Djinn.
»Ganz recht. Und ich werde sie jede Woche, jeden Tag und jede Stunde aufsuchen, wenn ich es für nötig halte. Treten Sie zur Seite.«
Damit rauschte Marcia an ihr vorbei und öffnete die Tür, die durch die dünne Trennwand ins Manuskriptorium führte. Einundzwanzig Schreiber schauten auf. Marcia blieb in der Tür stehen, überlegte einen Augenblick und warf dann ein großes Goldstück – eine Doppelkrone – auf den Ladentisch. »Das dürfte für die Reparatur Ihres Fensters reichen, Miss Djinn. Und gönnen Sie sich vom Restgeld einen ordentlichen Haarschnitt.«
Die Schreiber tauschten Blicke und verkniffen sich ein Grinsen. Marcia schritt durch den Gang zwischen den hohen Pulten, sich sehr wohl bewusst, dass einundzwanzig Augenpaare jede ihrer Bewegungen verfolgten. Sie öffnete die Geheimtür im Bücherregal und verschwand in dem Gang, der zu den Gewölben führte. Die Tür fiel hinter ihr zu, und Partridge machte: »Miauuuu!«
Zu Partridges Freude kicherte die neu ernannte Prüfgehilfin, Romilly Badger.
Unten in den Gewölben machte Marcia zwei Entdeckungen, eine angenehme und eine weniger angenehme.
Die angenehme Überraschung war, dass Tertius Fume, der ungehobelte und anmaßende Gewölbegeist, nicht auf seinem Posten war. Ausnahmsweise einmal konnte Marcia die Gewölbe betreten, ohne belästigt und nach der Parole gefragt zu werden. Marcia war gern allein in den Gewölben. Sie entzündete die Lampen. Eine ließ sie auf dem Tisch neben dem Eingang stehen, die andere nahm sie mit in die modrigen Kellerräume, die sich unter der Zaubererallee hinzogen. Aus Höflichkeit begleitete normalerweise ein Schreiber die Außergewöhnliche Zauberin in die Gewölbe und holte ihr, was sie wünschte, aber neuerdings wurde Höflichkeit im Manuskriptorium kleingeschrieben, wie Marcia festgestellt hatte. Doch wie alle Außergewöhnlichen Zauberer besaß sie einen Grundriss der Gewölbe und hatte daher keine Mühe, sich in dem Gewirr von Kisten, Truhen und Schriftrollen-Behälter, die hier seit Jahrtausenden ordentlich gestapelt und beschriftet lagerten, alleine zurechtzufinden.
Die Gewölbe beherbergten die Archive der Burg, und der Zaubererturm hatte nichts Gleichwertiges aufzuweisen. Dies war für die Obermagieschreiber seit jeher ein Anlass zur Selbstgefälligkeit, aber auch eine Quelle des Verdrusses, denn Außergewöhnliche Zauberer hatten in der Tat das Recht, die Gewölbe zu jeder Zeit zu betreten – und wie aus einigen alten Karten (die oben in der Kanzlei der Obermagieschreiberin aufbewahrt und geheim gehalten wurden) hervorging, gehörten die Gewölbe eigentlich zum Zaubererturm.
Marcia fand, was sie suchte – den Ebenholzzylinder mit der Lebendkarte dessen, was darunterliegt. In letzter Zeit hatte es Ärger mit unversiegelten Eisluken gegeben, und seitdem behielt Marcia die Angelegenheit im Auge. Im Schein der Lampe schnitt sie das Wachssiegel auf, zog die dicke Papierrolle aus der Röhre und
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