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Septimus Heap 06 - Darke

Titel: Septimus Heap 06 - Darke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angie Sage
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Fenster wieder zu.«
    Die Ratte hüpfte flugs auf den Sims, spähte nach unten und suchte nach dem besten Weg, der an der steilen Felswand der Anwanden hinabführte.
    »Stanley, könnten Sie bitte ...«, flüsterte Jenna rasch, als Sarah, den Besen noch in der Hand, durchs Zimmer gestürmt kam.
    »Ja?«, fragte Stanley nervös und beobachtete Sarah mit dem Argwohn einer Ratte, die Ärger mit Besen gewohnt war.
    »... zu Nicko gehen – Nicko Heap, auf Jannits Bootswerft. Sagen Sie ihm, was hier geschieht. Sagen Sie ihm, wo wir sind. Bitte.«
    Sarah knallte das Fenster zu.
    Jenna sah, wie auf der anderen Seite der Scheibe Stanley vor Überraschung weit den kleinen Rattenmund aufsperrte und dann rückwärts in die Nacht taumelte.
    »Mom!«, schrie Jenna. »Was tust du denn? Du hast ihn umgebracht!«
    »Besser eine Ratte als uns alle zusammen«, erwiderte Sarah. »Aber ihm wird sowieso nichts geschehen. Ratten landen immer auf den Füßen.«
    »Das gilt für Katzen, Mom, nicht für Ratten. O nein, der arme Stanley!« Jenna spähte in die Tiefe, konnte aber keine Spur von ihm entdecken. Sie seufzte. Ihre Mutter war nun wirklich nicht zu verstehen, überhaupt nicht. Sie stieß bedenkenlos eine Ratte ins Verderben und setzte für eine Ente ihr Leben aufs Spiel.
    »Er hat bestimmt irgendwo Halt gefunden, Prinzessin«, sagte Marcellus. »Seien Sie unbesorgt.«
    »Hoffentlich«, sagte Jenna.
    Stanleys unfreiwilliger Sturz ging allen nahe, auch Sarah. Sie hatte das nicht gewollt. Als sie das Fenster schloss, hatte sie in ihrer Panik nicht bedacht, dass die Ratte draußen saß. Aber sie wollte es nicht zugeben. Sie musste die Lage unbedingt unter Kontrolle halten, und wenn die anderen ihr zutrauten, dass sie womöglich in der Lage war, eine Ratte in den Tod zu stoßen, dann war das vielleicht gar nicht so verkehrt.
    Sarah begann, Aufgaben zu verteilen, und bald brannte ein Feuer, und ein köstlich riechender Eintopf blubberte in dem Kessel, der darüberhing. Ein Eintopf, der, wie Lucy bemerkte, so wenig mit dem ihrer Mutter gemeinsam hatte, dass er eigentlich einen anderen Namen verdient hätte.
    Bei dem Gedanken an ihre Mutter seufzte Lucy. Sie durfte gar nicht daran denken, was ihren Eltern in diesem Augenblick widerfuhr – oder Rupert auf der Bootswerft. Ja, das alles war so beängstigend, dass es ihr schwerfiel, überhaupt einen Gedanken zu fassen. Sie setzte sich zu Simon ans Fenster und umarmte ihn fest. Wenigstens Simon war in Sicherheit, auch wenn er nach dem Holzauber übel zugerichtet war.
    Simon zog sie noch enger an sich. »Es wird ihnen nichts geschehen«, sagte er. »Mach dir keine Sorgen.«
    Aber Lucy machte sich Sorgen. Wie jeder hinter der großen roten Tür.

* 36 *
    36.  Draussen

    S t anley fiel tiefer, als er jemals zuvor gefallen war. Ratten lebten gefährlich, besonders Botenratten, und Stanley war schon des Öfteren irgendwo hinuntergefallen, aber noch nie aus so großer Höhe wie aus dem obersten Stockwerk der Anwanden. Und mit Sicherheit war er nie gestoßen worden.
    Aber gerade der Umstand, dass er gestoßen worden war, rettete ihm wahrscheinlich das Leben. Er war so überrascht, sich plötzlich in der Luft wiederzufinden, dass er ziemlich entspannt in die Tiefe rauschte. Und das wiederum war der Grund, warum er, als er mitten auf einem der vielen struppigen Büsche landete, die aus den Mauern der Anwanden sprossen, wie ein Gummiball abprallte, noch ein paar Meter weiterflog und schließlich auf einem größeren Verwandten des struppigen Busches niederging, ohne dass seine zarten Rattenknochen splitterten, was sie möglicherweise getan hätten, wenn er in Erwartung des Endes die Muskeln angespannt hätte. Benommen lag Stanley da und lauschte dem Knacken der winterkahlen Zweige, die, einer nach dem anderen, unter seinem Gewicht abknickten.
    Das Knacken des letzten Zweiges führte bei der Ratte dann doch zu einer leichten Verspannung. Ganz plötzlich knickte der Zweig nach unten weg wie ein gebrochener Knochen, und Stanley rettete sich im allerletzten Moment durch einen eleganten Sprung auf einen aus der Wand ragenden Stein. Seine langen, feinen Krallen klammerten sich an das Mauerwerk, und ganz langsam machte er sich an den kontrollierten Abstieg, wie er ihn später nennen würde, wenn er, was er häufig tun würde, von seinem Abenteuer erzählte.
    In diesem Teil der Anwanden fiel die Außenwand direkt in den Fluss ab, doch zum Glück für Stanley herrschte im fernen Port gerade Ebbe, und der Fluss

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