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Septimus Heap 06 - Darke

Titel: Septimus Heap 06 - Darke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angie Sage
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war bis hinauf zur Burg dem Einfluss der Gezeiten unterworfen. Am Ende seines kontrollierten Abstiegs kletterte Stanley an den großen, schlüpfrigen grünen Felsblöcken hinunter, die das Fundament der Anwanden bildeten (und sich die meiste Zeit unter Wasser befanden), rutschte aus und landete mit einem schmatzenden Geräusch im Schlamm des Flusses.
    Dann machte er sich auf den langen Heimweg. Er huschte an der Burgmauer entlang, hüpfte, wo er konnte, ans Ufer, und dort, wo er nicht konnte, über Felsen, verrottende Boote und Schlammlöcher. Es war eine triste und zeitweise beängstigende Wanderung. Einmal glaubte Stanley aus der Burg ein fernes Brüllen zu hören, das ihn zutiefst erschreckte, doch als es nicht noch einmal ertönte, nahm er an, er hätte es sich nur eingebildet. Immer wieder spähte er im Gehen zur Burg hinauf und suchte nach einem erleuchteten Fenster, das ihn hätte aufmuntern können. Doch da war keines. Er hatte das einzige weit hinter sich gelassen und begann sich zu fragen, ob auch das inzwischen dunkel war. Die Dunkelheit machte ihm Angst. Er hatte den Lichtern in der Burg bisher nie viel Aufmerksamkeit geschenkt. Ratten verstanden die Vorliebe der Menschen für Licht und Flammen nicht. Sie bevorzugten den Schatten, in dem sie unbemerkt bleiben konnten. Licht war gleichbedeutend mit Gefahr und gewöhnlich auch mit Menschen, die einen Besen oder Schlimmeres schwangen. Doch in dieser Nacht begann Stanley zu begreifen, weshalb die Menschen das Licht so liebten. Als er zum wiederholten Mal durch ein tückisches Loch mit zähem Schlamm hopste, ging ihm etwas auf: Hatte er früher nach oben geblickt und Licht in den Fenstern gesehen, hatte er immer gewusst, dass hinter jeder flackernden Kerze ein Mensch wohnte, der in ihrem Lichtschein im Zimmer saß. Licht bedeutete Leben. Aber jetzt waren alle Fenster dunkel, und Stanley hatte das Gefühl, dass alles menschliche Leben in der Burg erloschen war. Und was, bitte schön, sollte eine Ratte anfangen ohne Menschen?
    Von bösen Vorahnungen geplagt, traf er schließlich am Osttor ein und erklomm die Außenmauer des Wachturms, der die Botenrattenzentrale beherbergte und ihm und seinen vier Rättlein als Zuhause diente. Er spähte durch das schmale Schießschartenfenster, konnte aber nichts sehen. Wohl aber riechen. Seine feine Rattennase witterte Dunkelkräfte – einen bitteren, abgestandenen Geruch mit einem Hauch von angebranntem Kürbis –, und da wusste er, dass er zu spät kam. Das Dunkelfeld war in sein Heim eingedrungen, und irgendwo darin gefangen waren die vier Rattenfindelkinder, die er mehr liebte als alles andere auf der Welt.
    Florence, Morris, Robert und Josephine – allen außer Stanley nur als Flo, Mo, Bo und Jo bekannt – waren für jeder andere Ratte vier dürre, tollpatschige Rattenkinder, aber in Stanleys Augen waren sie vollkommen.
    Gerade mal ein paar Tage alt waren sie gewesen, als er sie in einem Loch in der Mauer am Außenpfad entdeckt hatte, mutterseelenallein. Er, der sich nie auch nur das Geringste aus Babys gemacht hatte, hatte die blinden und nackten Rattenjungen behutsam in seine Hände gebettet und nach Hause in den Wachturm am Osttor getragen. Und er liebte sie, als wären sie seine eigenen. Er hatte sie gefüttert, ihnen die Flöhe aus dem Fell gezupft, Ängste um sie ausgestanden, als sie ihre ersten selbstständigen Ausflüge unternahmen, und unlängst begonnen, sie in die Grundlagen des Botenrattenwesens einzuführen. Sie waren sein Ein und Alles, sein Leben – und die verheißungsvolle Zukunft des Botenrattendienstes. Und jetzt waren sie verschwunden. In tiefer Verzweiflung ließ sich Stanley vom Fenster hinab.
    »Autsch! Pass doch auf, Pa!«, quiekte eine junge Stimme.
    »Robert!«, stieß Stanley hervor. »Dem Himmel sei Dank ...« Er war überwältigt.
    »Mann, bist du schwer. Du zerquetschst mir den Schwanz«, beschwerte sich Bo.
    »Entschuldige.« Stanley verlagerte sein Gewicht, und ein Stöhnen entfuhr ihm. Er war aus dem Alter heraus, in dem ein Sturz aus dreißig Metern Höhe ohne spürbare Folgen blieb.
    »Alles in Ordnung, Pa?«, fragte Flo.
    »Wo bist du gewesen?« Das war Jo.
    »Ach, Pa! Wir dachten schon, es hätte dich gekriegt.« Eine Umarmung von Morris, schon immer der gefühlvollste, brachte Stanleys Welt wieder in Ordnung.
    Die fünf Ratten setzten sich nebeneinander auf den Außenpfad, der hier, unterhalb des Osttor-Wachturms, nicht mehr als ein schmaler Felssims war, und Stanley berichtete,

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