Septimus Heap 06 - Darke
wie ein schweres Kissen, verstopfte ihm die Ohren, verschloss ihm die Augen und machte jeden Atemzug zur Qual.
Simon hatte das Gefühl, mit Bleischuhen unter Wasser zu gehen, als er sich die Zaubererallee hinaufkämpfte, dem rötlichen Licht des schwächer werdenden Schutzschilds entgegen. Auf der Höhe des Manuskriptoriums sah er trübe Schatten von Gespenstern auftauchen und dem Großen Bogen zustreben, wo sie sich versammelten und darauf warteten, dass die Barrikade fiel. Langsam wie in einem Albtraum watete Simon auf die andere Seite der Allee und schlüpfte in eine schmale Gasse, die außen um die Mauer herumführte, die den Hof des Zaubererturms umschloss. Sein Ziel war die geheime Seitenpforte der Außergewöhnlichen Zauberin, die von außen nicht zu sehen und deshalb, wie er hoffte, der Aufmerksamkeit der Gespenster entgangen war.
An dem Türstock angekommen, der die Stelle markierte, wo sich die verborgene Pforte befand, wurde ihm plötzlich schwindlig. Es kam ihm vor, als wäre der Nebel in seinen Kopf eingedrungen. Er sehnte sich danach, seine schweren Glieder auszuruhen, sich einen Augenblick hinzulegen, nur einen Augenblick ... Simon lehnte sich an die Mauer, spürte aber keine Steine, sondern nur Holz und eine Klinke im Rücken. Langsam fielen ihm die Augen zu, und er sank zu Boden.
Seltsame Dinge geschehen, wenn einem Lebend-Schutzschild die Kräfte schwinden. Seine verschiedenen Teile beginnen, selbst Entscheidungen zu treffen. So kam es, dass die verborgene Pforte, als Simon an ihr zu Boden sank, erkannte, dass sie ihn einlassen musste. Sie sprang auf, und er fiel rücklings über die Schwelle. Die Pforte gab ihm einen eleganten Klaps, sodass er vollends hindurchpurzelte, und schloss sich so schnell wie möglich wieder. Ein paar Nebelranken wollten hinter ihm hineinschlüpfen, wurden aber gestoppt, als die Pforte wieder eins mit der Mauer wurde.
In der klaren Luft im Hof kam Simon bald wieder zu sich. Wackelig stand er auf und atmete tief durch. Er schaute an dem Turm hinauf, der über ihm in den Himmel ragte und mittlerweile bis auf das Rot des erlahmenden Schutzschilds fast dunkel war, und kam sich sehr klein vor. Zittrig stieg er die breite Marmortreppe hinauf zu der silbernen Flügeltür, die den Turm bewachte.
Wieder erkannte der Lebend-Schutzschild, dass Hilfe kam. Die große Flügeltür öffnete sich geräuschlos, und mit klopfendem Herzen trat Simon in die große Halle. Als die Tür sich hinter ihm wieder schloss, hielt er kurz inne. Er konnte kaum glauben, dass er tatsächlich im Zaubererturm war. So lange hatte er davon geträumt, eines Tages den Fuß in den Turm zu setzen und ihn aus einer Gefahr zu retten, und nun, da er genau dies tat, kam ihm alles so unwirklich vor.
Doch im Zaubererturm hatte sich einiges verändert. Seit seiner Kindheit war Simon nicht mehr in der Großen Halle gewesen. Er hatte sie als hellen, freundlichen Ort in Erinnerung, erfüllt von einem magischen Summen, mit Wänden, über die schöne Bilder flimmerten, und einem faszinierenden Fußboden, der die Namen der eintretenden Besucher schrieb. Er hatte alles an der Halle geliebt, den geheimnisvollen Geruch von Magie, die klare Luft, das betriebsame Surren der sachte rotierenden silbernen Wendeltreppe. Und nun war alles dahin.
Die Lichter waren fahl und trüb, die Wände dunkel, der Fußboden leer, und die silberne Wendeltreppe stand still. Schattenhafte Gestalten von Zauberern und Lehrlingen gingen verstreut in der Großen Halle herum. Die Jüngeren wanderten nervös auf und ab, die Älteren waren vor Erschöpfung zusammengesackt, ganz auf die mühselige Aufgabe konzentriert, den Schutzschild mit Energie zu speisen, so klein ihr Beitrag auch sein mochte.
Plötzlich trat Hildegard aus dem Schatten. Blass und verhärmt, mit dunklen Ringen unter den Augen, sah sie Simon zur Treppe gehen. Sie hielt ihn nicht auf, und sie stellte keine Fragen. Es wäre Energieverschwendung gewesen. Wenn der Turm ihn hereingelassen hatte, dann war er nicht ohne Grund hier. Sie konnte nur hoffen, dass es ein guter war.
Simon lief die stillstehende Treppe hinauf. Auf dem Weg durch die verdunkelten Stockwerke hörte er hier und dort, wie müde ein Zauberspruch gemurmelt wurde, doch die meiste Zeit war es still. Er konnte sehen, dass das orangerote Licht draußen zusehends verblasste, und er wusste, dass, sobald es ganz erloschen wäre, würde das Dunkelfeld in den Turm eindringen. Wie lange noch Zeit bliebe, konnte er nicht sagen,
Weitere Kostenlose Bücher