Septimus Heap 06 - Darke
nicht nach unten.«
Septimus sah weder nach unten noch nach oben. Er heftete seinen Blick fest auf Marcias Mantelsaum, als er hinter ihr die Stufen der goldenen Pyramide hinaufstieg. Alther schwebte langsam hinterher.
Wenig später fand sich Marcia zum zweiten Mal in dieser Nacht auf der kleinen Plattform an der Spitze der goldenen Pyramide wieder. Aus irgendeinem Grund, der ihr selbst nicht klar war, hatte sie ihre spitzen, lila Pythonschuhe ausgezogen, sodass sie nun barfuß auf den uralten silbernen Hieroglyphen stand, die in die goldene Spitze geritzt waren. Sie wartete, bis Septimus neben ihr stand, und dann begannen die beiden gemeinsam, mit Stimmen, die wie Messer durch den schwarzen Nebel schnitten, die aus neunundvierzig Wörtern bestehende Zauberformel des Großen Umkehrers zu sprechen.
»Es werde ...«
Weiter unten tippte das Obergespenst träge mit dem Finger gegen die große lila Tür, die Marcias Gemächer bewachte. Zwölf Gespenster drängten sich erwartungsvoll hinter ihm und warteten darauf, ihr neues Zuhause in Beschlag zu nehmen. Die Tür sprang auf, und mit einer Grimasse, die eventuell ein Grinsen war, drehte sich das Obergespenst kurz zu seinen Gefährten um. Dann stand das Grüppchen da und sah genüsslich zu, wie der schwarze Nebel in die Gemächer quoll und Marcias geliebtes Sofa umrankte.
Auf der Spitze der goldenen Pyramide sprachen Marcia Overstrand, die Außergewöhnliche Zauberin, und Septimus Heap, ihr Außergewöhnlicher Lehrling, die allerletzten Worte des Großen Umkehrers.
Marcias Tür knallte den Gespenstern vor der Nase zu. Dann ertönte ein lautes Surren – die Tür verriegelte sich selbst und sandte sicherheitshalber noch eine Schockwelle aus. Dreizehn Gespenster schrien. Ein Schrei aus dreizehn Gespensterkehlen ist nicht besonders wohlklingend, doch für Septimus und Marcia, die wankend auf der Spitze der goldenen Pyramide standen, war er das Lieblichste, was sie je gehört hatten.
Und was sich dann ihren Blicken darbot, war das Schönste, was sie je gesehen hatten – der schwarze Nebel wälzte sich in immer rascherem Tempo fort, und da sahen sie wieder alles, was sie so liebten: das Kunterbunt der Dächer, die verwitterten Mauern und Zinnen, die Türme und Türmchen, ihre Silhouetten vor dem rosafarbenen Himmel des heraufdämmernden neuen Tages. Und noch während sie zusahen, wie die Sonne aufging und die unten lauernden Schatten vertrieb, fielen die ersten dicken Schneeflocken der Großen Kälte. Marcia und Septimus lächelten einander an – das Dunkelfeld existierte nicht mehr.
Ein paar Minuten später führte eine strahlende Marcia alle in ihr Wohnzimmer und riss die Fenster auf, um den muffigen Geruch der Dunkelkräfte hinauszuscheuchen. Jim Knee schlief zusammengerollt auf seinem gewohnten Platz auf dem Sofa neben Jillie Djinn, so wie Marcia sie zurückgelassen hatte. Doch irgendetwas an der Haltung der Obermagieschreiberin machte Marcia stutzig. Sie lief zu ihr.
»Sie ist tot!«, stieß Marcia entsetzt hervor. Und dann, noch viel bestürzter, rief sie: »Sie ist auf meinem Sofa gestorben!«
Jillie Djinn war nach hinten gesunken, den Mund leicht geöffnet, die Augen geschlossen wie im Schlaf. Ihr Körper war da, aber sie selbst war fort – was immer Jillie Djinn gewesen sein mochte, es war nicht mehr. Der Große Umkehrer war auch ihr Ende gewesen.
* 48 *
48. Die Wiederherstellung
M a rcia, Septimus und Jenna traten unter dem Großen Bogen hervor, blieben kurz stehen und blickten die befreite Zaubererallee hinunter. Es war ein schöner, kalter Morgen. Die Sonne blinzelte hinter einer Wolkenbank hervor und sandte schräge Strahlen über die Allee. Die ersten richtigen Schneeflocken der Großen Kälte begannen zu fallen, rieselten träge im blassgelben Sonnenschein und sanken auf das frostige Pflaster.
Marcia sog tief die kalte, prickelnde Luft ein und eine Welle des Glücks wogte in ihr hoch – aber sie durfte erst restlos zufrieden sein, wenn sie die Hermetische Kammer entsiegelt hatte. Und Beetle noch lebend vorgefunden hatte.
Marcia war auf tausend Dinge gefasst, als sie den Kundenraum des Manuskriptoriums betrat, nur nicht darauf, den Porter Hexenzirkel dort anzutreffen. Die Hexen hatten einen Ausflug gemacht, um das Ende des Zaubererturms mitzuerleben. Doch dann hatte ihnen die ganze Sache zu lange gedauert, und aus lauter Langeweile hatten sie die mit Brettern vernagelte Tür zum Magazin für wilde Bücher und Charms aufgebrochen. Von dort kamen
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