Septimus Heap 06 - Darke
Vergangenheit schlummern mochten. Doch was er sagte, klang vernünftig. Er zupfte einen Faden aus dem losen Gewebe und rollte ihn fein säuberlich zusammen.
Marcellus schaute beifällig zu. »Das war beherzt. Denk daran, dass die schwarzmagische Kraft dieses gezogenen Fadens sich nach etwa vierundzwanzig Stunden verflüchtigen wird. Bewahre ihn nicht in deinem Lehrlingsgürtel auf, denn er könnte andere Charms oder Zaubermittel schädigen. Eine Tasche ist besser.«
Septimus nickte – daran hatte er selbst schon gedacht.
»Jetzt schlage ich vor«, sagte Marcellus, »du legst den Dunkelschleier wieder zurück. Selbst hier drinnen verliert er, wenn er sich nicht in der Büchse befindet, mit jeder Sekunde etwas von seiner Macht.«
Wie von Marcellus angewiesen, sprach Septimus die Worte: »Bah Knad, ettib erhek mieh«, und der Dunkelschleier verschwand wie eine Rauchfahne in der Büchse.
Marcellus sah den Lehrling zufrieden an. »Wirklich ausgezeichnet. Er gehorcht dir gut. Kurz bevor du durch das Dunkelportal trittst, öffnest du die Büchse und gibst ihm den Befehl ›Edielk Sum‹. Nun, da er dich kennt, wird er an dir haften wie eine zweite Haut. Achte darauf, dass du ihn nicht außerhalb der Dunkelwelt trägst, denn sonst wird er sich schnell in Nichts auflösen. Das ist auch der Grund, warum ich ihn dir hier in der Kammer gezeigt habe. Gebrauche ihn mit Verstand.«
Septimus nickte. »Das werde ich«, sagte er.
»Ein letztes Wort noch.«
»Ja?«
»Der Dunkelschleier kann magische Kräfte stören. Nimm die Zunderbüchse deshalb nicht mit in den Zaubereiturm.«
Septimus war bestürzt. »Aber ... was ist mit meinem Drachenring?«
»Du trägst den Ring. Er ist ein Teil von dir, und der Dunkelschleier wird jeden Teil von dir schützen.« Marcellus lächelte. »Sei unbesorgt, Lehrling, er wird dir so hell leuchten wie immer, nur werden es andere nicht sehen.«
Septimus blickte auf den Ring, der in der Dunkelheit der Sicherheitskammer leuchtete. Er war erleichtert. Ohne ihn käme er sich verloren vor.
Marcellus gab seine letzte Anweisung. »Wenn du mit Alther wiederkommst, und davon bin ich fest überzeugt, musst du den Dunkelschleier auf schnellstem Wege hierher zurückbringen. Verstanden?«
»Verstanden«, sagte Septimus. »Danke. Vielen Dank, Marcellus.« Behutsam steckte er die Zunderbüchse in die tiefste und geheimste Tasche seiner Lehrlingstracht. »Wir sehen uns dann später«, sagte er. »Beim Fest.«
»Beim Fest?«, fragte Marcellus.
»Sie wissen doch, ich habe heute Geburtstag. Und Jenna auch. Wir feiern im Palast.«
»Ach ja. Natürlich, Lehrling. Das hatte ich ganz vergessen.«
Septimus erhob sich, um zu gehen. Diesmal hielt ihn Marcellus Pye nicht zurück.
* 20 *
20. Der Kordon
E s war Nacht geworden, während Septimus, abgeschnitten von der Außenwelt, in der Sicherheitskammer gewesen war. Er trat hinaus in die kalte, klare Luft und eilte die Schlangenhelling hinauf. Septimus zog den Mantel enger und schritt kräftig aus, um die Kälte abzuschütteln, die ihm in den Knochen steckte. Am Ende der Helling bog er in den Rattenlauf ab, eine ausgetretene Gasse, die direkt zur Mitte der Zaubererallee führte.
Die Längste Nacht zählte zu seinen Lieblingsfesten im Jahr. Schon als Soldat der Jungarmee hatte er sich immer darauf gefreut. Obwohl er damals nicht ahnen konnte, dass er an diesem Tag auch Geburtstag hatte, war dieses Ereignis für ihn etwas ganz Besonderes. Für sein Leben gern sah er all die Kerzen in den Fenstern der Burg. Dem Obersten Wächter und seinen Spießgesellen war dieser Brauch zwar ein Dorn im Auge, doch so alt, wie er war, konnte man ihn nicht verbieten, und er war zu einem kleinen Symbol des Widerstands geworden. Diese besondere Bedeutung kannte der junge Septimus freilich noch nicht. Er wusste nur, dass ihn die Lichterpracht glücklich machte.
Doch inzwischen hatte die Längste Nacht für ihn noch eine viel größere Bedeutung: Sie war ein Symbol der Hoffnung und der Erneuerung, der Jahrestag seiner Befreiung aus der Jungarmee durch Marcia. Trotz der Aufgabe, die heute in dieser Nacht vor ihm lag, hatte er das vertraute Gefühl von Erregung und Vorfreude, als er durch den Rattenlauf ging. Ein paar kalte, nasse Schneeflocken ließen sich kurz auf seinem Gesicht nieder, als er lächelnd an den alten Häusern hinaufschaute, in deren Fenstern jeweils eine einzelne helle Kerze brannte. Er sog die frische Luft ein, schüttelte die süßlichen Dämpfe aus dem Haus
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