Septimus Heap 06 - Darke
sich unbehaglich und lehnte sich gegen einen Stein weiter links oder rechts, der anders, aber nicht weniger kantig war.
»Hör auf herumzuzappeln, Lehrling, und pass auf«, sagte Marcellus Pye streng von seinem bequemen Stuhl aus. »Dein Leben könnte, ja wird, höchstwahrscheinlich davon abhängen.«
Septimus unterdrückte einen Seufzer.
Endlich kam Marcellus auf den eigentlichen Grund zu sprechen, warum er ihn zu sich bestellt hatte. »Ich nehme an, du willst heute Nacht versuchen, Alther Mellas Geist aus den Finsterhallen zurückzuholen.«
»Ja. Ja, ich werde in die Finsterhallen gehen. Um Mitternacht.« Bei diesen Worten verspürte Septimus eine prickelnde Erregung, in die sich Angst mischte. Plötzlich kam ihm alles sehr wirklich vor.
»Und du willst versuchen, durch das Portal im Verlies Nummer Eins in die Finsterhallen zu gelangen?«
»Ja. Ist das nicht die einzige Stelle, durch die man hineinkann?«, fragte Septimus.
Marcellus Pye setzte einen wissenden Blick auf. »Ganz und gar nicht«, antwortete er. »Aber es ist die einzige, durch die du heute Nacht rechtzeitig hineinkommst. Es gibt andere Portale, von denen einige für deine Zwecke sehr günstig wären und bei denen der Zeitpunkt keine so große Rolle spielt. Nur leider keines in der Burg.«
Während Septimus darüber nachdachte, warum ihm Marcia verschwiegen hatte, dass es andere, für ihn möglicherweise bessere Portale gab, nahm Marcellus die Kerze vom Tisch und erhob sich mit einem leisen Stöhnen von seinem Stuhl. Er sah aus wie der alte Mann, der er in Wirklichkeit war, als er zu der falschen Wand am anderen Ende des Raums schlurfte, die, wie Septimus jetzt bemerkte, holzgetäfelt war wie der Raum draußen. Marcellus drückte die Hand auf ein Paneel, schob es zur Seite und fasste in die Öffnung dahinter. Septimus hörte das Klirren von Glas, das Rascheln kleiner getrockneter Gegenstände in einer Dose, das dumpfe Geräusch eines Buchs, das zur Seite gelegt wurde, und dann ein erleichtertes »Ich hab’s!«.
Als Marcellus zurückgeschlurft kam, wäre Septimus fast aufgesprungen und weggerannt. Das Licht der Kerze warf gruselige Schatten auf das Gesicht des Alchimisten, und als er sich mit ausgestreckter Hand näherte, sah er genauso aus wie damals, als ihn Septimus das erste Mal getroffen hatte – wie ein fünfhundert Jahre alter Mann, der ihn gepackt und durch einen Spiegel in eine geheime Welt unter der Burg gezogen hatte. Es war kein angenehmer Anblick. Er beunruhigte Septimus mehr als alles andere während der nervösen Vorbereitungen auf seine Schwarzkunstwoche.
Ohne sich seiner Wirkung bewusst zu sein, nahm Marcellus Pye wieder seinen Platz bei Septimus ein. Er sah zufrieden aus. »Lehrling, was ich hier in der Hand halte, wird dir eine sichere Reise durch das Portal und in die Dunkelwelt ermöglichen.«
Er öffnete die Faust, und darin lag eine kleine, verbeulte Zunderbüchse. Septimus war maßlos enttäuscht. Was bildete sich Marcellus eigentlich ein? Er besaß eine eigene Zunderbüchse, und sie sah viel besser aus als diese da. Und funktionierte wahrscheinlich auch besser – Septimus konnte sich rühmen, innerhalb von fünfzehn Sekunden ein Feuer in Gang zu bringen. Vor nicht allzu langer Zeit hatten er und Beetle um die Wette Feuer entfacht, und er hatte gewonnen.
Marcellus reichte ihm die Zunderbüchse. »Öffne sie«, sagte er.
Septimus tat wie geheißen. Die Büchse enthielt das Übliche: ein kleines, längliches Rad, einen Feuerstein, ein paar dünne Stoffstreifen, getränkt mit dem wohlbekannten und leicht entzündlichen Burgwachs, und etwas trockenes Moos.
Septimus hatte jetzt genug. Die bissige Bemerkung, die Marcia am Morgen beim Abschied gemacht hatte, kam ihm wieder in den Sinn: Die Alchimie ist nur Schall und Rauch, Septimus. Alles nur Gerede und nichts dahinter. Ihr ganzer Mumpitz hat noch nie funktioniert. Alles barer Unsinn.
Septimus stand auf. Marcia hatte recht – wie gewöhnlich. Er musste raus aus dieser beklemmend engen Kammer, in der es muffig nach schwarzmagischen Geheimnissen roch und überall Wachs tropfte. Er sehnte sich in die Alltagswelt der Burg zurück. Er wollte durch die Straßen laufen, kühle frische Luft atmen, sich an den unzähligen Kerzen erfreuen, die in den Fenstern brannten, den Menschen dabei zusehen, wie sie auf und ab spazierten und die Lichterpracht ihrer Nachbarn bestaunten – oder auch nicht. Aber mehr als alles andere wollte er mit normalen Menschen zusammen sein und nicht
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