Septimus Heap 06 - Darke
mit einem kleinlichen, fünfhundert Jahre alten Alchimisten, der sich einbildete, Septimus wäre immer noch sein Lehrling.
Marcellus hatte andere Pläne. »Setz dich, Lehrling«, sagte er streng. »Das ist wichtig.«
Septimus blieb stehen. »Nein, ist es nicht. Das ist eine alte Zunderbüchse. Mehr nicht. Sie können mich nicht zum Narren halten.«
Marcellus lächelte. »Offenbar ist mir das bereits gelungen, Lehrling. Denn die Büchse ist nicht das, was sie zu sein scheint.«
Septimus seufzte. Bei Marcellus war nie etwas das, was es zu sein schien.
»Nur Geduld, Lehrling, Geduld. Ich weiß, hier ist es etwas eng, ich weiß, hier ist es etwas muffig und stickig, aber was ich dir zeigen möchte, kann ich dir nur hier zeigen. Draußen, wo keine Dunkelkräfte herrschen, würde es sich nicht lange halten.« Marcellus hob den Kopf und sah ihn ernst an. »Septimus, ich kann und werde nicht zulassen, dass du dich schutzlos in die Dunkelwelt begibst. Setz dich. Bitte.«
Mit einem weiteren Seufzer nahm Septimus wieder Platz.
Marcellus hob die Zunderbüchse hoch. »Sie ist nicht das, was sie zu sein scheint, wie immer bei einem Dunkelschleier. Und auch du musst dich tarnen, wenn du dich in die Dunkelwelt begibst.«
»Ich weiß. Verkleidungen, Gedankenschirme, Täuschungen – das alles habe ich mit Marcia geübt.«
»Selbstverständlich.« Marcellus klang versöhnlich. »Ich habe nichts anderes erwartet. Aber es gibt gewisse Dinge, von denen auch die Außergewöhnliche Zauberin nichts versteht. Dafür sind – oder waren – wir Alchimisten da. Wir sind mit den Dunkelkräften in Verbindung geblieben. Wir sind in Sphären vorgedrungen, in die sich Zauberer nicht gewagt haben.«
Nach Marcias Warnungen vor den Alchimisten hatte Septimus so etwas befürchtet, aber es war das erste Mal, dass Marcellus es ihm gegenüber offen zugab.
Marcellus fuhr fort: »Es ist nur recht und billig, wenn du als Alchimielehrling erfährst, wie mit den Dunkelkräften umzugehen ist. Sollen die Zauberer meinetwegen die Köpfe in den Sand stecken wie diese Vögel... wie heißen sie noch mal?«
Septimus war sich nicht sicher. »Hühner?«, schlug er vor.
Marcellus kicherte. »Hühner, dass passt auch ganz gut. Wie Hühner picken sie nach allem, was ihnen vor den Schnabel kommt, aber sie begreifen nicht, was es wirklich ist. Manchmal geben sie ihm einen anderen Namen, nennen es das Andere oder sprechen von Umkehrzaubern, aber das ändert nichts. Dunkelkräfte bleiben Dunkelkräfte, einerlei, wie man sie nennt. Du musst dich jetzt entscheiden, Lehrling. Willst du den ersten Schritt in die Dunkelwelt auf Alchimistenart tun – und sehen, was sich wirklich in der Zunderbüchse befindet – oder auf Zaubererart vorgehen und nichts weiter sehen als einen alten Feuerstein und trockenes Moos. Wofür entscheidest du dich?«
Septimus dachte an Marcia und wusste, was sie antworten würde. Er dachte an Beetle und war sich nicht sicher, was er antworten würde. Und dann dachte er an Alther. Und plötzlich hatte er das seltsame Gefühl, dass Alther direkt neben ihm saß. Er drehte sich zur Seite und sah ein kurzes lila Aufblitzen, den Hauch eines weißen Bartes. Dann war das Bild verschwunden, und Septimus blieb zurück in der Gewissheit, dass er Alther niemals wiedersehen würde, wenn er jetzt nicht »auf Alchimistenart« antwortete. Und so tat er es.
Marcellus lächelte vor Erleichterung. Er war höchst besorgt gewesen bei dem Gedanken, dass sich Septimus auf die übliche Zaubererart in die Dunkelwelt wagen könnte, nach dem Motto »Denke an nichts Böses, dann wird schon alles gutgehen«. Doch den alten Alchimisten beschlich auch ein leichtes Triumphgefühl. Fürs Erste hatte er seinen Lehrling wieder für sich gewonnen. »Sehr vernünftig«, sagte er. »Jetzt bist du kein Huhn mehr und kannst den ersten bewussten Schritt in die Dunkelwelt tun. Septimus, dir ist doch klar, dass du ihn nur tun kannst, wenn du wirklich willst?«
Septimus nickte.
»Dann sag es.«
»Was?«
»Dass du wirklich willst. Sag ›Ich will‹.«
Septimus zögerte. Marcellus wartete.
Es entstand eine lange Pause. Septimus war wie berauscht von dem Gefühl, nun gleich den Fuß über eine Schwelle zu setzen, die nicht einmal Marcia überschritten hatte.
»Ich will«, sagte er.
Als hätte jemand einen Schalter umgelegt, gingen alle Kerzen in der Kammer aus. Die Temperatur sackte ab.
Septimus rang nach Luft.
»Wir dürfen vor den Dunkelkräften keine Angst haben«, drang
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