Septimus Heap 06 - Darke
den Palasteingang zueilten. Eine war natürlich Marcia. Die zweite war Beetle, was ihm einen Stich versetzte, der wohl von Eifersucht herrührte. Beetle nahm den Platz ein, der eigentlich ihm gebührte. Zwei weitere Personen liefen hinter ihnen her. Die eine war mit ziemlicher Sicherheit Hildegard. Die andere eine Hexe. Was ging hier vor?
Septimus war zur Sicherheit in einer Entfernung vom Kordon stehen geblieben. Aber offensichtlich hatte er etwas vor sich hin gemurmelt, denn eine Person aus der Kette drehte sich um. Es war Rose, das Lehrmädchen aus dem Krankenrevier. Sie lächelte ihn an und legte den Zeigefinger auf die Lippen.
»Was ist hier los?«, formte Septimus tonlos mit den Lippen. Rose zuckte mit den Schultern und zog eine Grimasse, die ich habe keine Ahnung bedeuten sollte.
Septimus war völlig verwirrt. Tausend Fragen schössen ihm durch den Kopf. Was war geschehen – hatte Silas eine Dummheit begangen? Wo war Jenna? Wo waren seine Eltern? Und dann kam ihm ein schrecklicher Gedanke: Hatte das alles mit der Sache auf dem Dachboden zu tun, der nachzugehen ihn Jenna gestern Abend gebeten hatte? War das alles seine Schuld?
Er ging außen um den Kordon herum. Es war kalt, und ein paar Schneeflocken fielen, landeten auf den Wintermänteln der Zauberer und Schreiber oder blieben kurz auf Wollmützen und unbedeckten Köpfen liegen, ehe sie schmolzen. Die Hände, die die Seile hielten (Handschuhe waren nicht erlaubt, da sie den Kontakt unterbrachen), waren bereits von der Kälte gerötet, und einige von den jüngeren Lehrlingen, die in der Aufregung ohne Mantel ins Freie gerannt waren, bibberten.
Im Gehen behielt Septimus den Palast im Auge und versuchte, sich an das zu erinnern, was Jenna gestern Abend zu ihm gesagt hatte. Da oben geht etwas Schlimmes vor. Das war alles, was ihm noch einfiel. Doch er hatte ihr auch gar keine Gelegenheit gegeben, mehr zu sagen.
Auf der Suche nach Hinweisen darauf, was hier geschah, ließ er den Blick über den Palast wandern. Er sah aus wie immer, ein Hort der Verlässlichkeit und des Friedens in dieser Winternacht. Doch dann stach ihm etwas ins Auge. In einem Fenster im Obergeschoss verlosch eine Kerze. Er blieb hinter einer Reihe älterer Zauberer stehen, die alle möglichen bunten Schals und Wollmützen trugen, und spähte zu den Palastfenstern hinauf. Wieder ging eine Kerze aus und dann noch eine. Eine nach der anderen wurde gelöscht, wie Dominosteine, die klick, klick, klick langsam umfielen. Da wusste Septimus, dass Jenna recht gehabt hatte – da oben ging etwas Schlimmes vor sich.
»Du wolltest Jenna nicht helfen, weil du dir unbedingt den Kopf für deine Schwarzkunstwoche freihalten wolltest, du Blödmann, und jetzt sieh dir an, was passiert ist«, sagte er wütend zu sich selbst. »Und dann gehst du in die Alchimistenkammer, obwohl Marcia ausdrücklich dagegen ist, und fehlst deswegen jetzt bei dem erstaunlichsten Zauber, den du wahrscheinlich in deinem ganzen Leben zu sehen bekommen wirst. Das hast du nun davon, dass du den Dunkelkräften zu nahe gekommen bist, du Schwachkopf. Sie bringen dich dazu, nur noch an dich selbst zu denken. Und entfernen dich von den Menschen, die du gern hast. Jetzt hast du niemanden mehr, mit dem du reden kannst, und das geschieht dir ganz recht.«
Septimus kehrte dem Kordon und seinen Zaubererkollegen den Rücken und ging in die Nacht hinaus in Richtung Fluss. Er hatte das Ufer erreicht und lief auf den Landungssteg des Palastes zu, als ihm plötzlich der Geist von Alice Nettles erschien. Seit Althers Verbannung zeigte sich Alice eigentlich keinem Lebenden mehr, doch für Septimus machte sie eine Ausnahme. Von allen Geistern, die Septimus kannte, war Alice der einzige, der wetterempfindlich zu sein schien, und heute Abend sah sie ganz verfroren aus, obwohl er wusste, dass sie die Kälte eigentlich nicht spüren konnte.
»Guten Abend, Alice«, grüßte er.
»Guten Abend, Septimus«, antwortete sie mit einer entrückten Stimme, und zum ersten Mal überhaupt streckte sie die Hände nach einem Lebenden aus, legte sie Septimus auf die Schultern und sagte: »Bring meinen Alther zurück, Lehrling. Bring ihn mir zurück.«
»Ich werde mir alle Mühe geben, Alice«, erwiderte Septimus, verwundert über die Kälte ihrer Berührung.
»Wirst du heute Nacht aufbrechen?«, fragte sie.
Der Schlüssel zum Verlies Nummer Eins, in dem seine Schwarzkunstwoche beginnen sollte, lag schwer in seiner Tasche. Doch der Kordon hatte alle seine
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