Septimus Heap - Fyre
seinem Meister lieber nicht auf die Nase binden. Vielmehr wollte er den Eindruck vermitteln, er sei deshalb so erschüttert, weil sein Meister nur knapp dem Tod entronnen war.
Aber keiner bemerkte, wie erschüttert Jim Knee war, denn jedem im Raum ging es genauso. Sie versammelten sich vor der kleinen Tür in der Wandtäfelung, durch die sie die Zauberer soeben hinausgeworfen hatten.
»Ich verstehe nicht«, sagte Nicko, »wie sie überhaupt in den Schrank gekommen sind. Und wann. Jenna und ich waren schon eine halbe Ewigkeit hier. Sie hätten uns mit Leichtigkeit erwischen können.« Er erschauderte bei der Vorstellung. »Warum haben sie gewartet, bis alle hier waren?«
»Das ist kein Schrank«, erklärte Simon. »Es ist irgendein alter Tunnel. Das kann man riechen. Wir hätten sie doch nicht in einen Schrank geworfen, Nicko.«
»Das ist der Schmugglerschlund«, sagte Jim Knee und überraschte damit alle. Seit ihrer Ankunft im Porter Palast war der Dschinn ungewöhnlich wortkarg gewesen.
»Schmugglerschlund?«, fragte Jenna. »Was ist das?«
»Ich dachte, das wüssten Sie«, antwortete Jim Knee. »Schließlich ist es Ihr Palast. Das ist ein Tunnel, der in die Burg führt.«
»Die ganze Strecke bis zur Burg? Von hier aus?«
»Gewiss. Ein schmutziger und übel riechender Gang, den nur Leute benutzen, die sich in Port dem Gesetz entziehen möchten.«
»Oder in der Burg«, ergänzte Septimus.
»Ganz recht, Meister.«
»Aber woher wissen Sie das?«, fragte Jenna.
Jim Knee schwieg. Wie alle Dschinns sprach er nur sehr ungern über seine früheren Leben.
»Beantworte die Frage, Jim Knee«, befahl ihm sein Meister mit einem Anflug von Ungeduld. »Woher weißt du das?«
»Ich war schon einmal hier«, antwortete Jim Knee. »Ich war einmal königlicher Koch.«
»Dann warst du unten in dem Tunnel?«
»Äh … nein.« Eine schreckliche Erinnerung schoss Jim Knee durch den Kopf: ein Überfall um Mitternacht. Schreie. Pistolenschüsse. Unter Axthieben splitternde Türen. Und die arme, ungeliebte Tallula Crum musste zusehen, wie alle anderen die schmale Treppe hinabflüchteten, wohl wissend, dass sie selbst niemals durch den Treppenschacht passen würde. Und dass mal wieder ein Leben zu Ende ging.
»Woher wollen Sie dann so genau wissen, dass der Gang zur Burg führt?«, fragte Jenna.
»Ich weiß es eben. Als ich Koch war, wurde er häufig benutzt. Er diente dem Transport wertvoller Güter. Port war damals ein gefährliches Pflaster.«
»Daran hat sich nichts geändert«, murmelte Nicko.
Alle starrten auf die Tür. Sie hätten sie am liebsten geöffnet und nachgesehen, was sich dahinter verbarg, aber keiner traute sich.
»Ich finde«, meinte Jenna, »wir sollten uns vergewissern, ob sie auch wirklich fort sind.«
»Sie haben sich bestimmt davongemacht«, sagte Septimus. »Jetzt, wo sie wissen, dass du den Einsperrzauber kennst.«
»Trotzdem würde ich mich gern selbst davon überzeugen«, erwiderte Jenna.
Nicko fasste nach dem Messer, das er immer in einer Scheide am Gürtel trug, wenn er in Port war. »Ja«, stimmte er zu. »Wenn wir hier übernachten wollen, müssen wir nachsehen. Wir wollen doch nicht, dass sie im Schlaf über uns herfallen.«
»Aber ich habe sie hinausgeworfen«, protestierte Septimus, ein wenig beleidigt, weil seine Magie offenbar nicht ernst genommen wurde. »Sie können nicht zurückkommen.«
»Das sind Dunkelzauberer«, gab Nicko zu bedenken. »Die können alles, was sie wollen.«
»Nicko hat recht«, schaltete sich Simon ein. »Wir sollten die Tür wenigstens mit einem Abwehrzauber gegen Dunkelkräfte belegen. Ich würde sogar zusätzlich einen Schließ- und Riegelzauber vorschlagen.«
»Ich hatte keineswegs die Absicht, die Tür unbewacht zu lassen«, erwiderte Septimus gereizt. »Das wäre idiotisch. Aber ich muss in Ruhe darüber nachdenken, wie es jetzt weitergehen soll.«
»Darüber müssen wir alle nachdenken«, sagte Simon, den es ärgerte, dass sein Sachverstand nicht berücksichtigt wurde.
Jenna war der ganzen Diskussion überdrüssig. Es war ihr Palast, und sie wollte alles über ihn wissen. Also öffnete sie, während die Jungen noch stritten, die kleine Tür zum Schmugglerschlund.
»Jenna!«, protestierten die anderen im Chor.
Jenna nahm davon keine Notiz. Sie spähte in die Dunkelheit. Ein Hauch abgestandener, muffiger Luft wehte ihr ins Gesicht. Sie ergriff eine in der Nähe stehende Kerze und leuchtete damit in das Dunkel. Hinter der offenen Tür waren ein paar
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