Septimus Heap - Fyre
diesem Moment. Nicko nahm ihre Hand und drückte sie. Das machte Jenna Mut. Sie pflanzte sich vor den beiden strubbeligen und schmuddeligen Gestalten auf und fragte laut: »Was wollt ihr?«
Die Antwort kam prompt und erfüllte den Saal mit Angst.
»Das Ende …«
»… deines …«
»… Geschlechts.«
»Wie wir es …«
»… geschworen haben.«
Jenna fasste sich an den Kopf und nahm ihr Diadem ab – jenen goldenen Haarreif, den Hotep-Ra vor so langer Zeit der Königin geschenkt hatte.
»Nicht, Jenna!«, flüsterte Nicko rasch, weil er dachte, sie würde sich ergeben.
»Doch, Nicko«, erwiderte sie und streckte das Diadem mit beiden Händen den Zauberern hin, als wollte sie es ihnen überlassen. Nicko sah bestürzt zu. Seine Brüder bekamen in der schwarzen Rauchwolke nichts von alldem mit, und Nicko wusste nicht, was er tun sollte.
Eine der vielen Geschichten, die Jenna auf ihrer Reise gehört hatte, war auch die von der Königin gewesen, die die beiden Dunkelzauberer in den Ring gesperrt hatte. Jenna hatte ihr andächtig gelauscht, denn sie handelte von etwas, das sie kannte. Aber sie hatte die Geschichte am Ende eines langen, ermüdenden Tages gehört, an dem man ihr schon viele Regeln und Vorschriften vorgetragen hatte. Jenna erinnerte sich noch, wie die Abendsonne durch die kleinen runden Fenster geschienen hatte, als ihre Großmutter ihr den Einsperrzauber vorgesprochen hatte. Und sogar noch daran, wie sie die Zauberformel schläfrig nachgesprochen hatte. In der Hoffnung, dass ihr beim Sprechen wieder der vollständige Wortlaut einfallen würde, begann sie jetzt eilig, jenen Spruch aufzusagen, den die Ringzauberer fürchteten: »Kraft unserer Macht, zu dieser Stunde, wir …«
Schon bei den ersten Worten des Einsperrzaubers erschauderten die Zauberer.
Im Innern der Dunkelrauchwolke bemerkten Septimus und Simon einen schmalen Lichtstreif und stürzten sich darauf. Hustend brachen sie aus der Wolke hervor und sahen mit Verwunderung, dass die beiden Zauberer vor Jenna zurückwichen. Das war ihre Chance.
Hinauswerfen?, fragte Septimus Simon, das Wort lautlos mit den Lippen formend.
Simon nickte und kreuzte die beiden Zeigefinger – das Zeichen für schwarze Magie.
Septimus reckte die Daumen nach oben. Wenn es jemals Zeit war, sich schwarzer Magie zu bedienen, dann jetzt.
»Friw eis suanih!«
Nichts geschah. Schamandrigger Saarn und Dramindonnor Naarn drehten sich vielmehr ruckartig um und richteten ihre Zauberstäbe jetzt auf die beiden Brüder statt auf Jenna, die weiterhin ihren Spruch aufsagte.
»Es funktioniert nicht«, flüsterte Simon. »Ich brauche ihre Dunkelnamen.«
In Erinnerung an seinen eigenen Dunkelnamen Sum beschloss Septimus, alles auf eine Karte zu setzen. »Friw eis suanih!«, schrie er. »Friw eis suanih, Reg und Ron!«
»Nein!«, rief Jenna, während sich die Dunkelzauberer wie auf Rollen von ihr wegbewegten und wie ehrerbietige Höflinge rückwärts dem Ausgang zustrebten, allerdings in einem Affenzahn.
Nun endlich trat Jim Knee auf den Plan. Er öffnete die Tür in der Wandtäfelung, verneigte sich höflich, als die Zauberer durch die Öffnung surrten, und knallte dann die Tür zu. Mit strahlender Siegermiene lehnte sich der Dschinn dagegen, als hätte er höchstpersönlich die Zauberer hinausbefördert.
»Gut gemacht, Sep!«, sagte Simon.
»Ja«, Septimus strahlte.
Aber Jenna war anderer Meinung. »Ihr Esel!«, schimpfte sie.
»Was?« Septimus und Simon waren verdutzt.
»Warum habt ihr das getan?«, rief Jenna.
»Wir haben nur versucht, dir das Leben zu retten«, antwortete Septimus und bedachte die Prinzessin mit einem Blick, als hätte sie den Verstand verloren. »War das verkehrt?«
»Ja. Ich meine, nein. Ich meine … oh, Sep, du Dummkopf. Mir war gerade wieder die vollständige Formel eingefallen. Für den Einsperrzauber. Aber ihr habt ihnen zur Flucht verholfen.«
* 33 *
DER SKORPION
Jim Knee war zutiefst erschüttert. Er war nur ganz knapp einem Dschinn-Selbstmord entronnen, den ein Dschinn nach allgemeinem Dafürhalten begeht, wenn er zulässt, dass sein Meister in seinem Beisein ermordet wird. Das hat nämlich nicht nur für den Meister verhängnisvolle Folgen, sondern auch für den Dschinn: Er verflüchtigt sich augenblicklich in ein in der Nähe befindliches Gefäß, das dann meist dem Mörder in die Hände fällt. Und »Mörder sind keine guten Meister«, wie ein altes Dschinn-Sprichwort zu Recht besagt. Doch das wollte Jim Knee
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