Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Titel: Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hartman
Vom Netzwerk:
Guntard stand auf und packte meinen linken Arm. Ich riss mich los, mit einem Lächeln starr wie Glas. Doch dann erhob ich mich freiwillig, um zu verhindern, dass er ein zweites Mal nach mir griff. Von allen Tischen aus sah man uns interessiert zu.
    Wir durchquerten den gespenstisch stillen Saal und blieben vor dem Tisch der Drachen stehen. Heute Morgen saßen nur zwei von ihnen da, ein käsiger Drachenmann und eine Drachenfrau mit kurzen Haaren – unbedeutende Schreiberlinge, die man nicht auf die Jagd nach Imlann mitgenommen, sondern zurückgelassen hatte, damit sie sich um die Geschäfte in der Botschaft kümmerten. Sie saßen wie versteinert da, hatten ihr Brötchen fast bis zum Mund geführt und glotzten Guntard an, als wäre er eine sprechende Rübe, die ihnen aufgelauert hatte.
    »Entschuldigt, Saarantrai«, rief Guntard so laut, dass man ihn im ganzen Saal hörte, an allen Tischen, an allen Fenstern, ja selbst bei der Küchendienerschaft. »Ihr könnt euresgleichen am Geruch erkennen, stimmt’s?«
    Die Saarantrai tauschten einen argwöhnischen Blick aus. »Das Wort eines Saarantras gilt vor Gericht nichts, wenn es um bestimmte Angelegenheiten geht. Und dies ist eine solche Angelegenheit«, sagte der Drachenmann und wischte sich umständlich die Finger am Tischtuch ab. »Wenn du hoffst, so der Artenfeststellung zu entgehen, dann können wir dir leider nicht helfen –«
    »Nicht mir. Serafina, unserer Musikmamsell. Sie wird sich stechen lassen wie wir alle, aber es kursieren einige sehr hässliche Gerüchte, und ich möchte sie ein für alle Mal aus der Welt schaffen.« Guntard legte theatralisch eine Hand auf die Brust, die andere streckte er in die Luft wie ein Schmierenkomödiant. »Sie ist meine Freundin, kein ekelhafter und hinterlistiger Drache! Riecht an ihr und sagt uns, dass es wahr ist.«
    Ich stand da, die Arme um mich geschlungen, so als könnte dies mich davor bewahren, in Flammen aufzugehen wie die Schatulle der Erinnerung. Die Saarantrai mussten aufstehen und zu mir herkommen, damit sie überhaupt etwas riechen konnten. Die Drachenfrau schob mein Haar wie einen dunklen Vorhang zur Seite und schnüffelte hinter meinem Ohr. Der Mann beugte sich über meine linke Hand. Er würde etwas von meinem Geruch aufschnappen. Ich hatte den Verband, mit dem ich die mir selbst zugefügte Wunde abgedeckt hatte, heute Morgen gewechselt, aber er würde es zweifellos riechen. Vielleicht roch es für ihn nach etwas Essbarem; mein Blut war so rot wie das eines jeden Bewohners von Goredd.
    Ich biss die Zähne aufeinander und machte mich auf den Paukenschlag gefasst.
    Die Saarantrai drehten sich um und setzten sich wortlos wieder auf ihren Platz.
    »Nun?«, fragte Guntard. Der ganze Saal hielt den Atem an.
    Jetzt kam es. Ich sprach ein kurzes Gebet.
    Die Drachenfrau sagte: »Eure Musikmamsell ist kein Drache.«
    Guntard begann zu klatschen, es klang, als ob eine Handvoll Kies einen Berghang hinunterrieselte. Dann fiel eine Hand nach der anderen ein, bis eine Woge von Beifall über mir zusammenschlug.
    Ich sah die Saarantrai ungläubig an. Zweifellos hatten sie meinen Drachengeruch wahrgenommen. Hielten sie mich für eine Gelehrte, die kein Glöckchen tragen musste, und hatten aus Respekt vor der Wissenschaft geschwiegen? Denkbar wäre es.
    »Ihr solltet euch alle schämen, solchen Gerüchten Glauben zu schenken!«, schimpfte Guntard. »Serafina ist ehrbar, hübsch und liebenswürdig, eine verlässliche Freundin und eine hervorragende Musikerin …«
    Der männliche Saar blinzelte ganz langsam wie ein Frosch, der sein Fressen verschlingt, der weibliche zeigte dezent, aber vielsagend zum Himmel. Kein Zweifel, sie hatten mich gerochen. Und sie hatten gelogen. Vielleicht hofften sie sogar, dass ich ein Drache war, der sich hier unerlaubt herumtrieb, schon allein um Guntard und all die anderen zu ärgern, die selbstgefällig meine edlen, sittsamen und ganz und gar nicht drachenhaften Eigenschaften rühmten.
    Ich hatte die Kluft zwischen unseren beiden Völkern noch nie so deutlich gespürt wie in diesem Moment. Die beiden Saarantrai würden für die Menschen in diesem Saal keinen Finger rühren, und ob sie sich gegen Imlann stellen würden, war noch die Frage. Wie viele Drachen würden seine Partei ergreifen, wenn sie zwischen Gesetzesbruch und der Scheinheiligkeit in Goredd wählen müssten?
    Guntard klopfte mir immer noch auf die Schulter und hob meine menschlichen Tugenden hervor. Ich drehte mich um und ging hinaus,

Weitere Kostenlose Bücher