Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Titel: Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hartman
Vom Netzwerk:
ohne gefrühstückt zu haben. Im Geiste stellte ich mir vor, dass Guntard meine Abwesenheit noch gar nicht bemerkt hatte und weiter ins Leere klopfte.

    »Ich möchte, dass du dir morgen freinimmst. Schau dir die Goldenen Spiele an, besuche deine Familie, trink etwas, mach, was du willst«, sagte Viridius, als wir nach der Chorprobe in seiner Wohnung waren. Er hatte mir gerade eine Komposition diktiert, und seine unerwartete Aufforderung überrumpelte mich derart, dass ich den Federkiel unabsichtlich auf ein unbeschriebenes Pergamentblatt stieß, wo er einen riesigen Tintenklecks hinterließ.
    »Habe ich etwas falsch gemacht, Meister?«, fragte ich und wischte mit einem Lappen über den Flecken.
    Er lehnte sich in sein Samtkissen zurück und blickte durchs Fenster zum bedeckten Himmel und in den verschneiten Schlosshof. »Ganz im Gegenteil. Alles, was du in die Hand nimmst, gelingt. Ich finde, du hast dir einen Tag Erholung redlich verdient.«
    »Ich hatte doch gerade einen freien Tag, zwei sogar, wenn ich den mitzähle, an dem mich der Drache heimgesucht hat.«
    Er biss sich auf die Unterlippe. »Der Rat hat letzte Nacht einen Entschluss gefasst –«
    »Über die Maßnahmen zur Artenfeststellung? Guntard hat mir davon erzählt.«
    Er musterte mich. »Ich hielt es für ratsam, dass du währenddessen woanders bist.«
    Meine Hände waren feucht geworden, ich trocknete sie an meinem Kleid ab. »Sir, wenn Ihr ein Gerücht meint, das über mich kursiert und das Unbekannte in Umlauf gebracht haben, dann kann ich Euch versichern –«
    Er legte seine gichtkrummen Finger auf meinen Unterarm und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Ich werde ein gutes Wort für dich einlegen«, sagte er. »Ich weiß, ich bin nicht gerade ein liebenswürdiger alter Kauz, und es ist nicht immer einfach, mit mir auszukommen, aber du hast gute Arbeit geleistet. Auch wenn ich es nicht sehr oft sage, so heißt das nicht, dass ich es nicht bemerke. Du bist das begabteste Geschöpf, seit Tertius von uns gegangen ist, möge er mit allen Heiligen zu Tisch sitzen.«
    »Ein gutes Wort für mich einlegen – warum ?«
    Seine wulstigen Lippen zitterten. »Serafina, ich habe deine Mutter gekannt.«
    »Ihr müsst Euch irren, Sir«, stieß ich hervor. Die Luft im Zimmer schien plötzlich nicht mehr auszureichen.
    »Ich hörte sie in Schloss Rodolphi in Samsam spielen, vor ungefähr zwanzig Jahren, als ich mit Tertius – möge er am Herzen aller Heiligen ruhen – durchs Land reiste. Sie war bezaubernd. Als Tertius mir sagte, dass sie ein Saar ist, glaubte ich ihm anfangs nicht.«
    Viridius zeigte auf den Wasserkrug. Ich goss ihm einen Becher Wasser ein, aber als ich es ihm hinhielt, sagte er: »Nein, das ist für dich. Du bist ganz grün im Gesicht. Beruhige dich, Kind. Ich weiß es schon lange und habe es stets für mich behalten, hörst du?«
    Ich nickte zitternd. Der Becher schlug beim Trinken gegen meine Zähne.
    Viridius klopfte mit seinem Stock leicht auf den Fußboden und gab mir Zeit, mich zu fassen. Als er meinte, ich könne ihm wieder zuhören, sagte er: »Ich habe Linn gebeten, am Sankt-Ida-Konservatorium zu unterrichten, das ich seinerzeit leitete. Sie sagte, das ginge nicht. Sie würde selbst noch lernen und wolle ihre Forschungen abschließen. Ich unterstützte ihren Antrag, sie vom Tragen der Glocke freizustellen, damit sie studieren konnte, ohne die Bibliothekare in Angst und Schrecken zu versetzen – oder ihre Studenten, denn ich hoffte immer noch, sie zum Unterrichten zu bewegen. Es schien mir eine gute Idee zu sein.«
    In diesem Moment hätte ich ihn am liebsten geschlagen, als wäre er der Schuldige, der mir alles eingebrockt hatte. »Nein, das war es nicht.«
    »Alles in allem betrachtet vielleicht nicht. Aber deine Mutter konnte sich wirklich in der Gesellschaft bewegen, sie war außergewöhnlich. Weder verwöhnt noch schüchtern noch albern, sondern stark und zupackend, und sie ließ sich von anderen nichts gefallen. Wenn ich mich für Frauen interessiert hätte, wäre sogar ich in Versuchung geraten, mich in sie zu verlieben. Aber das ist nur eine hypothetische Frage, etwa so wie die, ob man die Welt mit einem Hebel aus den Angeln heben könnte. Man könnte es und kann es doch nicht. Mach deinen Mund wieder zu, Kindchen.«
    Mein Herz hämmerte so wild, dass es wehtat. »Ihr habt gewusst, dass sie ein Saar und mein Vater ein Mensch ist, und habt es niemandem gesagt?«
    Er stand mühsam auf und humpelte zum Fenster. »Ich bin

Weitere Kostenlose Bücher