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Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Titel: Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hartman
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und sein scharfes Urteil erinnern, das er über Ungläubige fällte. Aber vielleicht war auch nur einem besonders kecken Mitglied der Glasbläsergilde mitten in der Nacht diese völlig verrückte Idee eingefallen, ganz gleich, ob sie nun theologisch begründet war oder nicht.
    Die Lebensgeschichten der Heiligen wurden in den Goldenen Spielen oft aufgebauscht, denn tatsächlich wusste man nicht viel über sie. In der Lebensbeschreibung der Heiligen fanden sich viele Widersprüche und die blumig ausgeschmückten Psalter trugen auch nicht zur Aufklärung bei. Und dann gab es ja auch noch die Standbilder der Heiligen. In der Lebensbeschreibung hatte zum Beispiel Sankt Polypous drei Beine, aber auf manchen Altären im Land hatte er mindestens zwanzig. Sankt Gobnait hatte in unserer Kathedrale einen Bienenstock mit gesegneten Bienen, aber in South Forkney gab es ein berühmtes Bild der Heiligen, auf dem sie groß wie eine Kuh war und einen Stachel hatte, so lang wie ein Unterarm. Meine Ersatzschutzpatronin, Sankt Capiti, trug normalerweise ihr abgeschlagenes Haupt auf einer Platte, aber in manchen Geschichten waren an ihrem Kopf kleine Füßchen, mit denen er alleine herumlief und die Menschen tadelte.
    Eigentlich hatte mich unser aufgeschlagener Psalter ursprünglich Sankt Yirtrudis zugeteilt. Ich hatte nie ein Bild von ihr gesehen, auf dem ihr Gesicht nicht geschwärzt oder ihr Kopf nicht ausradiert gewesen wäre – woraus man schließen konnte, dass sie ganz gewiss die Schrecklichste aller Heiligen gewesen war.
    Ich ging weiter, vorbei an Sankt Loola und Sankt Kathandas riesigem Gänsesäger, vorbei an Sankt Ogdo dem Drachentöter und an Sankt Yane, der gerade seine üblichen Späßchen trieb, die so weit gingen, dass er bisweilen ganze Dörfer schwängerte. Ich kam an Händlern vorbei, die Kastanien, Pasteten und Kuchen verkauften, und mein Magen fing an zu knurren. Vor mir erklang Musik: Panflöte, Laute und Trommel, eine Besetzung, wie man sie besonders in Porphyrien liebte. Über die Köpfe der Leute hinweg sah ich die obersten Akrobaten einer Menschenpyramide, ihrem Aussehen nach waren es tatsächlich Porphyrer …
    Nein, keine Akrobaten, sondern Pygegyria-Tänzer. Und der ganz oben sah fast aus wie Flederchen – oder besser gesagt Abdo.
    Bei der Heiligen Sankt Siucre. Es war tatsächlich Abdo. Er trug weite Hosen aus grünem Satin und reckte geschmeidig die nackten Arme in den Winterhimmel.
    Er war die ganze Zeit über hier gewesen und versuchte mich zu treffen, aber ich hatte ihn abgewiesen.
    Ich schaute immer noch staunend den Tänzern zu, als mich jemand am Arm packte. Vor Schreck stieß ich einen Schrei aus.
    »Psst! Geh weiter«, hörte ich Orma flüstern. »Wir haben nicht viel Zeit. Ich habe Basind abgeschüttelt, ein zweites Mal habe ich vielleicht nicht mehr so viel Glück. Ich vermute, die Botschaft bezahlt ihn dafür, dass er mich beobachtet.«
    Er hielt meinen Arm immer noch fest. Ich legte die Hand auf seine. Die Leute strömten um uns herum wie ein Fluss um eine Insel.
    »Ich habe aus den Erinnerungen meiner Mutter etwas Neues über Imlann erfahren«, raunte ich ihm zu. »Wollen wir uns nicht einen ruhigeren Ort suchen, an dem wir uns unterhalten können?«
    Er ließ meinen Arm los und ging voraus in eine enge Gasse. Ich folgte ihm durch ein Wirrwarr aus Fässern und Stapeln von Feuerholz entlang der Steinmauern, dann eine Treppe hinauf zum Altar von Sankt Clare. Bei dem Anblick hielt ich inne – ich musste sofort an Kiggs denken und empfand ihren leidenden Blick als Tadel –, aber ich küsste ehrfurchtsvoll meine Fingerknöchel und folgte meinem Onkel.
    Er hatte seinen falschen Bart entweder verloren oder sich erst gar nicht die Mühe gemacht, ihn anzukleben. Die tiefen Falten um seinen Mund ließen Orma ungewohnt alt aussehen. »Schnell«, sagte er. »Wenn ich dich nicht zufällig gesehen hätte, wäre ich schon längst weg.«
    Ich hätte ihn also beinahe verpasst; bei dem Gedanken wurde mir ganz flau. Ich holte tief Luft und sagte: »Deine Schwester hat belauscht, wie Imlann eine Verschwörung mit zwölf Generälen plante. Einer von ihnen, General Akara, war entscheidend dafür verantwortlich, dass die Ritter aus Goredd verbannt wurden.«
    »Akaras Verstrickung darin ist bekannt«, sagte Orma. »Man hat ihn geschnappt und auf Befehl des Ardmagars einer Exzision unterzogen, die aber wohl etwas zu weit ging, denn er büßte die meisten seiner Fähigkeiten dabei ein.«
    »Weiß das die

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