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Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Titel: Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hartman
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überhörte diese Bemerkung, was sicherlich klug von ihm war. Ein paar Schneeflocken zierten seinen grauen Anwaltshut, ein paar andere klebten an seinen Augenbrauen und den Wimpern. Er fragte in ruhigem Ton: »Hast du dich in jemand bestimmten verliebt oder einfach in alles, was du nicht haben kannst?«
    »Sowohl als auch«, antwortete ich. »Und in Lucian Kiggs.«
    »Ah.« Eine Zeitlang waren nur die Glöckchen am Kutschgeschirr, das Schnauben der Pferde in der Kälte und das Knirschen des dichten Schnees unter den Schlittenkufen zu hören. Mein Kopf wurde schwer.
    Ich fuhr hoch und hörte, wie mein Vater gerade sagte: »… dass sie mir niemals vertraut hat. Das hat mich am meisten verletzt. Sie glaubte, ich würde sie nicht mehr lieben, wenn ich erst die Wahrheit kenne. Sie hat so viele Risiken auf sich genommen, aber das alles entscheidende Risiko ging sie nicht ein. Wenn die Chancen eins zu tausend stehen, ist es besser, das Risiko einzugehen, als die Chance zu vertun, aber sie hat sich für Letzteres entschieden. Denn wie sollte ich sie lieben, wenn sie sich mir nicht zeigte? Wen genau liebte ich eigentlich?«
    Ich nickte und wurde jetzt ganz wachgerüttelt. Die Luft schwirrte und blitzte vor lauter Schneeflocken.
    Er sagte: »… Zeit, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, und ich fürchte mich nicht länger davor. Es bekümmert mich, dass du ihr morsches Lügengebäude geerbt hast, und ich, statt es einzureißen, neue Täuschungen hinzufügte. Den Preis dafür muss ich bezahlen. Wenn du in Sorge um dich selbst bist, schön und gut, aber nicht um meinetwillen …«
    Er schüttelte mich sachte an der Schulter. »Serafina, wir sind zu Hause.«
    Ich schlang die Arme um ihn. Er hob mich vom Schlitten herunter und führte mich durch die erleuchtete Tür.

    Am nächsten Morgen lag ich lange wach, starrte an die Decke meines alten Zimmers und fragte mich, ob das meiste von dem, was mein Vater gesagt hatte, nur Einbildung gewesen war. Es klang so gar nicht nach einem Gespräch, das ich mit meinem Vater geführt haben könnte, selbst wenn wir beide sternhagelvoll gewesen wären.
    Die Sonne schien unerträglich hell und ich hatte einen entsetzlichen Geschmack im Mund, aber sonst ging es mir gut. Ich machte einen Abstecher in meinen Garten, den ich in der vergangenen Nacht vernachlässigt hatte, aber alle waren friedlich. Selbst Flederchen saß brav auf einem Baum und ich brauchte mich nicht weiter um ihn zu kümmern. Dann stand ich auf und zog ein altes Kleid an, das noch in meinem Schrank hing; das scharlachrote war zu vornehm, um es an einem gewöhnlichen Tag zu tragen. Dann ging ich in die Küche hinunter. Schon im Gang schlugen mir Lachen und Frühstücksduft entgegen. Mit der Hand auf der Klinke blieb ich an der Küchentür stehen, lauschte auf die mir so vertrauten Stimmen, zögerte, den warmen Raum zu betreten und sie alle zum Verstummen zu bringen.
    Dann holte ich tief Luft und stieß die Tür auf. Nur einen Lidschlag lang, so lange, bis man meine Anwesenheit bemerkte, tauchte ich ein in das häusliche Idyll: der bullernde Herd, die drei blau lasierten Teller auf dem Kaminsims, die kleinen Altärchen an den Fenstern zu Ehren von Sankt Loola und Sankt Yane – und ein neuer, der Sankt Abaster geweiht war –, die Kräuter und Zwiebelketten, die von der Decke hingen.
    Meine Stiefmutter, die bis zu den Ellbogen im Teig steckte, den sie gerade in einem Trog knetete, blickte beim Quietschen der Tür auf und wurde blass. An dem langen Küchentisch saßen die Zwillinge Tessie und Jeanne und schälten Äpfel. Auch sie hielten mitten in der Bewegung inne und sahen mich an, Tessie hatte noch eine Apfelschale im Mund, die herausschaute wie eine grüne Zunge. Meine kleinen Halbbrüder Paul und Ned blickten unsicher zu ihrer Mutter.
    Ich war eine Fremde in dieser Familie. So wie ich es immer gewesen war.
    Anne-Marie wischte sich die Hände an der Schürze ab und setzte ein Lächeln auf. »Serafina, willkommen. Wenn du deinen Vater suchst, der ist schon in den Palast gegangen.« Sie runzelte verwundert die Stirn. »Bist du von dort gekommen? Dann hättest du ihm eigentlich begegnen müssen.«
    Jetzt wo ich darüber nachdachte, konnte ich mich nicht entsinnen, dass uns in der vergangenen Nacht jemand an der Tür begrüßt hätte. Hatte mich mein Vater heimlich ins Haus und nach oben gebracht, ohne seiner Frau etwas zu sagen? Das sah ihm ähnlicher als eine Unterhaltung über Liebe, Lügen und Angst.
    Auch ich gab mir Mühe zu

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