Serafinas später Sieg
eines Prinzen in Siena, als sie zum ersten mal Lebenszeichen des Kindes in ihrem Leib spürte. Die schwachen Bewegungen, die sie wie das Flügelflattern eines gefangenen Vogels empfand, stürzten sie in Panik. Sie mußte es Amadeo überlassen, die Bestellung aufzunehmen – ihre Hände zitterten zu sehr.
An Thomas Marlowe dachte sie fast nie. Als sie eines Tages im November tief verschleiert am Dock von Livorno stand, sah sie sein Schiff im Hafen liegen. Eine Galionsfigur prangte am Bug: Ein großer türkis- und goldfarbener Vogel, der auf die ligurische See hinausstarrte, als könne er es nicht erwarten, dem Käfig des Hafens zu entfliehen und über die lockenden Wasser zu fliegen. Während sie die Kingfisher betrachtete, überflutete sie eine tiefe Traurigkeit – als habe sie durch eigenes Verschulden etwas von unschätzbarem Wert verloren.
Thomas Marlowe war unter einem leuchtend blauen Himmel, bei sommerlicher Hitze und begleitet von Mückenschwärmen von Livorno abgesegelt, bei seiner Rückkehr war es kalt, und ein heftiger Wind krönte die graugrünen Wellen mit zinnfarbenem Schaum. Sobald sie angedockt hatten, schickte Thomas William Williams zu John Keane, damit er ihn über ihre Ankunft informierte, während er selbst sich sofort zur Kingfisher begab.
Die Reise war strapaziös gewesen, doch Thomas vergaß jegliche Erschöpfung, als er sein Schiff betrachtete. An dem Durcheinander von Farbtöpfen, Eimern mit Nägeln, Werkzeugen und Sägespänen sah man, daß die Arbeiten noch nicht abgeschlossen waren, aber der Rumpf war bereits kalfatert – das Meerwasser konnte ihm nichts mehr anhaben. Die Masten und Rahen befanden sich bereits an Ort und Stelle, und Thomas sah im letzten Licht des düsteren Tages die Segel und die Takelage vor sich, die sie bald schmücken würden. Bug und Schiffsschnabel waren mit leuchtend blauen Schnörkeln und Spiralen verziert, die sich an der Wand des Achterdecks fortsetzen würden, und hoch über dem Wasser starrte die Galionsfigur stolz und sehnsüchtig aufs Meer hinaus.
Völlig in die Betrachtung versunken, hörte Thomas die Schritte nicht, die die Gangway heraufkamen.
»Meiner Treu – wirklich ein eindrucksvoller Anblick«, sagte eine Stimme hinter ihm. »Sie sind nicht untätig gewesen, nicht wahr, Mr. Marlowe?«
Thomas fuhr herum.
»Aber Sie haben ja nie etwas von Untätigkeit gehalten, Sie haben sich stets eine Beschäftigung gesucht, stimmt's, Mr. Marlowe?«
Der Mann, der auf das Hauptdeck trat, war größer als Thomas – und breiter. Es dauerte nur Sekunden, bis dieser ihn erkannte. »Edward Whitlock!« sagte er mit spröden Lippen.
»Sehr richtig.« Whitlock lächelte maliziös. »Ich war im Zweifel, ob Sie mich erkennen würden, schließlich hatten Sie es hauptsächlich mit meiner Frau zu tun.«
Schwarze Schatten krochen über das Deck. Edward Whitlock war mit einem prachtvollen Degen bewaffnet. Thomas' Herz hämmerte gegen seine Rippen. Unauffällig ließ er die Hand zu seiner Waffe gleiten. »Der Konvoi«, spekulierte er. »Die Schiffe sind angekommen, und Sie …«
»Ich bin der Kapitän der Legacy , die den Konvoi anführt. Sie erinnern sich doch sicher an die Legacy. Ein nettes kleines Schiff – wenn auch ein wenig breit.«
»Ich bin auf ihr gefahren.« Thomas' Finger hatten sich um den Griff seines Messers geschlossen. Er verfluchte sich dafür, daß er sich so hatte überrumpeln lassen. Sein letztes Zusammentreffen mit Edward Whitlock war ihm unvergeßlich geblieben: Noch heute spürte er, wie der Efeu unter seinen Händen von der Hauswand riß und die vorbeipfeifende Kugel seine Wange versengte. Und er erinnerte sich auch noch an die Zartheit von Faith Whitlocks Haut unter seinen liebkosenden Händen und die Üppigkeit ihres willigen Körpers. Doch jetzt war kaum der richtige Zeitpunkt, sich in erotischen Träumereien zu verlieren. Thomas wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinem akuten Problem zu. »Ich segelte die Legacy nach Scanderoon. Zweimal.«
Natürlich glaubte er nicht, daß Whitlock sich dazu herablassen würde, kameradschaftlich in Erinnerungen an vergangene Reisen zu schwelgen, doch je länger es ihm gelänge, die Hand seines Widersachers vom Degen fernzuhalten, um so eher bestünde die Chance, daß John Keane oder William Williams auftauchten. Und wenn es Keane nicht schaffte, Whitlock von einer Gewalttat abzuhalten, könnte William Williams massige Gestalt und Gelassenheit dazu beitragen, größeren Schaden zu verhüten.
Doch der
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