Serafinas später Sieg
zerschlissen, an den Rahnocken, und einer der Stags des Vormasts war gebrochen. Sie müssen letzte Nacht in das Unwetter geraten sein, dachte Jules Crau. Das toskanische Schiff, das eine halbe Stunde vor dem anderen angelegt hatte, war kaum beschädigt. Die Mannschaft war bereits dabei, die Segel an den Rahen festzumachen.
Die prächtigen Goldverzierungen der französischen Galeone faszinierten den Fischer. Diener schleppten Gepäck die Gangway herunter, Matrosen überprüften die Taue, die das Schiff am Kai festhielten. Und dann erschien ein junger, gutaussehender Mann – offenbar der Kapitän. Er war in Rot gekleidet und trug ein rot-silbernes Cape. Jules ging auf ihn zu, um etwas zu tun, das sein Stolz ihm bisher nie erlaubt hatte. Er hörte sich mit rauher Stimme undeutlich etwas über die schweren Zeiten und seine hungernde Tochter murmeln und sah, wie der feine Herr beim Anblick der schmutzigen Hände, die seinen Samtärmel berührten, die Nase rümpfte und angewidert den Arm schüttelte. Und dann kramte der reiche Mann in seiner Tasche und ließ etwas in Jules' Hand fallen.
Jules schaute darauf hinunter: Es war ein Knopf. Ein Knopf aus Horn.
Nach der wochenlangen Abwesenheit erschien Marseille Angelo schmutziger und bevölkerter als vor seiner Abreise. Die Docks und Straßen stanken. Die Stadt war laut und primitiv, ließ die gedämpfte Vornehmheit von Florenz vermissen, und die Bettler schienen sich zu vermehren wie die Ratten, denen sie in steigendem Maße ähnelten. Häßlich und nach Fäulnis stinkend, lungerten sie in den Gassen, Durchgängen und Innenhöfen herum.
Angelo verabscheute Bettler. Wie viele Männer, die es aus eigener Kraft zu etwas gebracht hatten, betrachtete er einen Mangel an Würde und Ehrgeiz als abstoßend. Er, der sich aus dem Nichts hochgearbeitet hatte, verachtete jene, die noch immer in dem Rinnstein dahinvegetierten, in dem sie geboren worden waren.
Es gehört alles mir, dachte er, wenn er sich in dem geräumigen Haus aufhielt, das einmal das von Franco Guardi gewesen war. Doch manchmal – sogar jetzt noch, nach zehn Jahren – suchten ihn Geister heim: Francos Lachen hallte durch die Räume, Marguerites Kleider raschelten auf den Fluren, Kinderschritte trappelten über den Fliesenboden. Gelegentlich ertappte er sich dabei, daß er sich anschickte anzuklopfen, wenn er Francos Arbeitszimmer betreten wollte. Oft erschien ihm alles, was er erreicht hatte, unwirklich – als träume er und würde beim Erwachen vor dem Nichts stehen.
Angelo bemühte sich, die gedrückte Stimmung abzuschütteln, die mit der Rückkunft in seine Geburtsstadt zusammenhing. Sein Bevollmächtigter hatte in Neapel und Civitavecchia gute Geschäfte gemacht, und er selbst in Florenz die herrlichsten Stoffe gekauft. Er sagte sich, daß er allen Grund habe, zuversichtlich zu sein, daß er die Reise nach Florenz als Erfolg betrachten sollte, daß er von einem Mann wie Lorenzo Nadi kein anderes Verhalten hätte erwarten können. Aber es beunruhigte ihn zutiefst, auf die Gnade eines anderen angewiesen zu sein, anstatt wie gewöhnlich selbst das Sagen zu haben. Er versuchte sich damit zu beruhigen, daß Signor Nadi ihn nur zappeln ließe, um ihm seine Macht zu zeigen, und daß er sicherlich bald schreiben und sich mit allem einverstanden erklären würde.
Angelo hatte sich mit einer Flasche Wein im Salon des goldenen Hauses niedergelassen. Er dachte an Fiametta. Sie war zwar keine Schönheit, aber es hatte unbestreitbare Vorteile, eine unscheinbare Frau zu heiraten. Im Gegensatz zu Lorenzo Nadi müßte er sich nicht ständig Gedanken wegen der Treue seiner Frau machen. Er wußte, daß er attraktiv war und auf Frauen wirkte – Fiamettas Treue und Ergebenheit sollten ihm gewiß sein.
Er blickte auf den Hafen hinaus – und entdeckte in dem Wald von Masten, die in den blauen Himmel ragten, den wahren Grund für seine Niedergeschlagenheit. Zwei Tage zuvor hatte er auf dem Ligurischen Meer ein toskanisches Schiff gesichtet, das, wie er beim Näherkommen feststellte, seltsamerweise den englischen Namen Kingfisher trug. Ein schönes Schiff, aber er war überzeugt, daß die Fiametta ihm überlegen wäre und ließ sich auf ein Wettrennen ein. Er hatte letzte Nacht kaum geschlafen, weil er die durch das Unwetter leicht angeschlagene Fiametta durch die tückischen Gewässer um die Iles d'Hyères hatte manövrieren müssen. Und dann mußte er bei seiner Ankunft in den Hafen von Marseille zu seiner Enttäuschung
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