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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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hinterlassen.«
    »Gut«, nickte Constanza. Sie sah ein, daß es keinen Sinn hätte, einen besänftigenden Brief an die Oberin zu schreiben oder weitere Spenden in Aussicht zu stellen. Als sie in Marias haselnußbraune Augen blickte, erkannte sie, daß ihre Tochter den Entschluß gefaßt hatte, dem Morast aus frömmelnder Heuchelei für immer den Rücken zu kehren, und daß jeder Versuch von ihr, diesen Entschluß umzustoßen, ebenfalls heuchlerisch wäre. Es half alles nichts Maria würde in Pisa bleiben müssen. Wenigstens für eine Weile.
    Sie hatte Galeazzo völlig vergessen – doch schwere Schritte auf der Treppe und die sich gleich darauf öffnende Speisezimmertür erinnerten sie daran, weshalb sie Maria überhaupt nach Neapel geschickt hatte. Er war gottlob vollständig angezogen – eine eindrucksvolle Gestalt, die Macht ausstrahlte. Beim Anblick des jungen Mädchens leuchteten seine Augen lüstern auf. Constanza stand hastig auf, stellte sich hinter ihre Tochter und legte ihr schützend die Hände auf die Schultern.
    Galeazzo lächelte. »Möchtest du mich nicht vorstellen, Constanza?«
    »Maria«, sagte sie steif, »das ist Galeazzo Merli – ein … Freund. Galeazzo – das ist Maria, meine Tochter.«
    Maria stand auf und knickste. »Geh zu Bett, Liebes«, befahl Constanza. »Es ist spät.«
    Der Blick, mit dem Galeazzo der schlanken Gestalt nachschaute, bestätigte ihre Befürchtungen. Hätte sie ihr Stilett zur Hand gehabt, sie hätte es benutzt.
    »Die Jugend hat doch einen ganz besonderen Zauber«, sagte Galeazzo, und dann faßte er sie an den Schultern und zwang sie, in den an der Wand hängenden Spiegel zu blicken. Das Kerzenlicht fiel in einem ungünstigen Winkel auf sie und betonte die Furchen, die das Alter in ihr Gesicht gegraben hatte, und die dunklen Schatten unter ihren Augen. Die Narbe, die sich an ihrem Unterkiefer entlangzog, wirkte wie eine frische Wunde. »Glaubst du«, flüsterte Galeazzo und grub seine Finger in das nicht mehr ganz feste Fleisch ihres Nackens, »daß du dir deinen Lebensunterhalt noch lange wirst verdienen können? Sieh dich an, Constanza: Du tätest gut daran, dich nach einer Nachfolgerin umzutun, die ihn für dich verdient.« Niemals! dachte sie. Er ließ sie los, drehte sich um und ging. Schwer atmend stand sie da und starrte ihr Spiegelbild an. Niemals!

ELFTER TEIL
     
    1596
DROHENDE
STAUBWOLKEN
     
Tücher aus mehrfarbiger gewirkter Seide. Augengläser als Schutz gegen den Staub.
Dinge, die mitzunehmen sind, aus den »Notizen für die geplante Entdeckung der Nord-Ost-Passage«:
Richard Hakluyt

 
 
     
    Wenn sie gefürchtet hatte, in Marseille zuviel Zeit zum Nachdenken zu haben, so wurde Serafina angenehm enttäuscht: Die Tage – voller kleiner Ärgernisse und kleiner Triumphe – waren zu turbulent für Grübeleien.
    Jacopos Haus lag am Rande von Marseille. Sie öffnete alle Fenster und entfernte die Laken, mit denen die Möbel zugedeckt waren. Der aufwirbelnde Staub drang ihr in Mund und Nase und führte zu einem heftigen Husten- und Niesanfall. Sie hatte zwei Jahre zuvor schon einmal unter diesem Dach gewohnt – als Küchenhilfe. Seit damals war viel geschehen.
    Das Haus war häßlich und spärlich möbliert, aber das störte sie nicht. Aus einem Raum im Parterre machte sie ein Arbeitszimmer für sich und die Angestellten, und engagierte eine Köchin und ein paar Bedienstete. Sie ließ sich weder von der Hitze noch von den Fliegen, die durch die Lamellen der Fensterläden hereinkrochen oder den Lärm aus den umliegenden Gassen irritieren, arbeitete bis spät in die Nacht und stand früh am Morgen auf. Weil sie viel zu tun hatte – und weil sie schlecht schlief.
    Sobald sie die Augen schloß, fiel die Vergangenheit über sie her. Manchmal träumte sie vom Hafen und erwachte mit einem Glücksgefühl, weil sie sich dort hatte stehen sehen – Hand in Hand mit ihrem Vater –, aber meistens stand der türkische Soldat mit seinem Brandeisen da und bescherte ihr Stunden voller Angst und Schrecken. Thomas ging sie so gut wie möglich aus dem Weg. Unvorsichtigerweise hatte sie ihm Gelegenheit gegeben, sie zu gut kennenzulernen, und so wußte er genau, welche Ängste und Wünsche sie bewegten. Aber sie brauchte sein Einfühlungsvermögen nicht – sie brauchte seine Intelligenz und seine Energie, die er beide im Übermaß besaß. Und so beschränkte sie ihre Gespräche auf geschäftliche Angelegenheiten – den Transport der Waren vom Schiff zum Lagerhaus,

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