Serafinas später Sieg
edle Nase und den schöngeschwungenen Mund zu bewundern, aber die Krönung waren die feuchtglänzenden dunklen Augen in dem erstaunlich hellhäutigen Gesicht, die von langen Wimpern umrahmt wurden. Ein Seidengewand schmiegte sich an ihren wohlgeformten Körper, der Schmuck – Gold, Silber, Bernstein und Karneol – lenkte Thomas' Blick auf ihren zarten Hals und die zierlichen Hand- und Fußgelenke. Er schluckte trocken, und sie drückte aus dem Schwamm, den sie in der Hand hielt, Wasser in seinen Mund.
Langsam, ganz langsam begann sein Verstand wieder zu arbeiten. Er befand sich in einem Zelt. Durch die hochgeschlagene Plane sah er weitere Zelte – und Menschen, die um Lagerfeuer saßen. Die Szenerie hob sich wie ein Scherenschnitt gegen den Sonnenuntergang ab. Die Illusion, sich auf einem Schiff zu befinden, mußte durch den schaukelnden Gang eines Kamels in ihm geweckt worden sein. Das erklärte auch den Geruch. Ja, er war offenbar im Tragekorb eines Kamels transportiert worden. Also hatten diese Leute ihn gefunden und mitgenommen. Er schaute an sich herunter – und erstarrte, er war nackt! Zu erschöpft, um sich gegen diese Situation aufzulehnen allerdings war er unter normalen Umständen nicht gerade prüde –, galt Thomas Marlowes nächster Gedanke seinem Wams. Er versuchte sich aufzusetzen und deutete hektisch auf seinen Oberkörper.
»Sie vermissen Ihr Wams?« fragte die Lady gelassen auf spanisch. »Ich habe es hier.« Sie reichte ihm das kostbare Kleidungsstück. Er wog es prüfend in der Hand und hörte sie sagen: »Ich habe es flicken lassen.«
Tatsächlich, die Risse waren mit ordentlichen Stichen geschlossen worden, doch das Wams war erschreckend leicht. Entsetzt schaute er die Frau an.
»Ihr Gold ist in Sicherheit«, beantwortete sie lächelnd seine stumme Frage.
Thomas murmelte spanische Dankesworte und nahm den Becher, den sie ihm reichte. Während er trank, musterte er seine Umgebung. Das Zelt war aus Leder, mit Seidenbahnen behängt, die Kissen, auf denen er lag, waren bestickt und mit Quasten versehen. Das Licht der Messinglampe, die an einer Kreuzverstrebung des Zeltes leicht hin und her schwang, ließ die Stoffbahnen an den Wänden regenbogenfarben schimmern. Die Haut der Frau hatte die gleiche zarte Beschaffenheit wie das kostbare Gewebe. Ihr zu einem Knoten geschlungenes Haar glänzte blauschwarz.
Es war Monate her, daß Thomas Faith Whitlocks Schlafzimmer so überstürzt verlassen hatte. Als er eine vertraute Regung spürte, zog er sich ein neben ihm liegendes Tuch über die Lenden.
Die Frau klatschte in die Hände, worauf ein schwarzes Sklavenmädchen mit einem Tablett erschien, es neben Thomas abstellte und wieder verschwand.
Datteln, Feigen, Honig und Scherbett. Plötzlich wurde ihm bewußt, wie hungrig er war. Er aß gierig, und als er fertig war, holte das Mädchen das Tablett wieder ab. Und dann sagte die Frau: »Nun, Señor …«
»Marlowe. Thomas Marlowe«, stellte er sich vor.
»Also, Señor Marlowe, Sie haben gegessen und getrunken, und Ihre Insektenstiche und Verbrennungen sind behandelt worden. Gibt es noch etwas, das wir für Sie tun können?«
Das Ziehen in seinem Unterleib ließ sich nicht ignorieren, es gab noch andere Bedürfnisse außer Essen und Trinken. Das Seidentuch verbarg, seine Regungen nur notdürftig. Gepreßt brachte er hervor: »Ich wäre dankbar, wenn Sie mich wissen ließen, wie Sie heißen und wohin Sie unterwegs sind.«
Die Frau lächelte kühl. »Mein Name ist Jamila. Sie befinden sich bei einer Kamelkarawane, die von Angehörigen meines Volkes, der Tuareg, begleitet wird. Wir bringen Salz, Goldstaub und schwarze Sklaven in die spanische Niederlassung Oran und ziehen dann nach Algier weiter. Kommt das Ihren Plänen entgegen, Señor Marlowe?«
Er murmelte undeutlich eine Zustimmung. Algier war ihm durchaus angenehm. Von dort könnte er nach Frankreich oder Italien gelangen.
»Gut.«
Wie gelähmt sah er zu, wie sie mit ihren schmalen, langen Fingern langsam den Knoten löste. Wieder lächelte sie kühl.
»Ich fürchte, mein Spanisch ist nicht besonders gut, ich habe nur in Algier und Oran ein wenig aufgeschnappt. Vielleicht hätte ich fragen sollen: Haben Sie sonst noch Wünsche, die ich Ihnen erfüllen kann?«
Thomas begriff, daß er für seine Pflege würde bezahlen müssen.
Sechs Wochen vergingen, bis die Sterne Kara Ali den richtigen Zeitpunkt zeigten und Allah ihm die passenden Worte eingab.
Für die Heilung eines kranken Kindes
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