Serafinas später Sieg
gezeigt hatte, erkannte der Schiffszimmermann – seit fünfzehn Jahren Seemann und noch länger Handwerker – sofort die Leistungsmöglichkeiten dieser Galeone. Ein weniger fachkundiger und weniger phantasiebegabter Mann hätte vielleicht über die Begeisterung auf dem Gesicht des Jüngeren gelacht und Bedenken wegen seiner Jugend, der fehlenden Erfahrung und des Mangels an Beziehungen bekommen. William Williams jedoch hatte sich nur kurz gefragt, woher das Gold stammen mochte, mit dem Thomas' zerfleddertes Wams ausgefüttert gewesen war, doch er kam schnell zu dem Schluß, daß ihn das nichts anginge.
Vor fünf Monaten hatten sie am Abend ihrer Ankunft in Livorno in einer Hafenkneipe über den Konstruktionsplänen gesessen – und seitdem hatte der Schiffszimmerer die Entscheidung, die er damals getroffen hatte, noch keine Sekunde bereut. Schiffe zu bauen war das einzige, was er gelernt hatte, und wenn er nicht mehr die Möglichkeit hatte, in seinem Geburtsland zu arbeiten, dann würde er eben in Italien für einen Landsmann arbeiten.
Der Bau des Schiffes schritt stetig aber langsam voran. Es hatte Thomas einige Zeit gekostet, die besten Handwerker zu finden, doch hatte er sich in dieser Hinsicht ausnahmsweise in Geduld gefaßt, denn er war nicht bereit, sich mit zweitklassigen zufriedenzugeben. William Williams seinerseits hatte sich einen vielversprechenden, aber recht anstrengenden Lehrling eingestellt: Cristofano – einen Jungen mit den typischen Untugenden seines Alters, als da waren reichlich überschüssige Energie, ein kaum jemals stillstehendes Mundwerk und eine absolute Unfähigkeit zur Konzentration, sobald sich ein hübsches Mädchen in Sichtweite befand. Doch er war intelligent und anstellig und scheute sich nicht vor harter Arbeit.
William Williams richtete sich auf und entdeckte Thomas, der sich zwischen Menschen und Holzstapeln hindurch den Weg zu ihm bahnte.
»April!« Der Steuermann riß seinen Hut vom Kopf und schleuderte ihn zu Boden. »April! Gott verdammt …«
»Oje.« William warf ein paar weitere Kohlen in die Kohlenpfanne. Trotz des herrlichen Wetters war es bitter kalt. Cristofano grinste, doch nach einem derben Hieb von William machte er sich wieder an die Arbeit. Thomas' Augen, so blau wie das sommerliche Mittelmeer, sprühten Funken, als er sprach: »›Wie soll ich ohne Holz ein Schiff bauen?‹ fragte ich den Kerl. Der Bursche gibt schließlich vor, Holzhändler zu sein!«
»Es gibt noch andere Holzhändler.« William, der Thomas' Perfektionismus und ungeduldiges Wesen nun schon seit geraumer Zeit kannte, schaute den Steuermann fragend an. »Und was sagte der gute Mann dazu?«
Thomas zischte unfreundlich: »›Ich kann keine Bäume wachsen lassen, Signor Marlowe‹, sagte er. ›Das kann nur Gott der Allmächtige.‹« Er starrte William über die glühenden Kohlen hinweg wütend an und hob zornig die Hände. »Woraufhin ich lästerlich zu fluchen anfing, und er in frömmelndem Entsetzen aufschrie. Ich fluchte weiter, und er rief nach seinen Dienern …«
»Und die warfen dich aus dem Haus«, beendete William den Satz seines Gegenübers, der im Laufe der letzten Monate sein Freund geworden war.
Cristofano, ein talentierter, aber nicht gerade taktvoller Junge, prustete los. Auf dem Rand der Kohlenpfanne stand ein Weinkrug. Thomas nahm ihn in die behandschuhten Hände und setzte sich auf ein Faß. »So ungefähr«, bestätigte er widerwillig. »Ach, was soll's – der Kerl konnte mir sowieso nicht von Nutzen sein.«
Der Zimmerer sagte nichts dazu, sondern kehrte zu seiner Arbeit zurück, um Thomas Zeit zu geben, etwas von seinem Ärger hinunterzuspülen. Der Steuermann besaß eine schier grenzenlose Energie, aber nur sehr begrenzte Geduld, doch er hatte natürlich recht, ohne Holz konnte man kein Schiff bauen.
Der Holzmangel war ein chronisches Problem – der einzige Schwachpunkt der ansonsten idealen Voraussetzungen, die Livorno bot. William nahm sich eine Planke aus harter toskanischer Eiche vor, die zum Bau guter Handelsschiffe verwendet wurde, und überprüfte die Maße, die Cristofano genommen hatte. Wenn das Holz nicht von erster Qualität war, konnte das den Untergang eines Schiffes bedeuten – sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinn. Verzögerungen beim Bau bedeuteten, daß Verträge platzten, Termine nicht eingehalten werden konnten und Löhne weiter gezahlt werden mußten, während die Männer untätig herumsaßen. Auf ein halbfertiges Schiff und
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