Serafinas später Sieg
leere Holzlager gab niemand Kredit, und William nahm an, daß Thomas' Geld nicht ausreichte, um eine unerwartete Durststrecke zu überbrücken.
Thomas stand auf und stellte den Weinkrug weg. Seine üble Laune war verflogen. »Du hast recht, Will – es gibt noch andere Holzhändler.« Er hob seinen Hut auf, drückte ihn auf seine wirren dunklen Locken und ließ den Blick über das Gerippe der Kingfisher gleiten. »Und wenn nötig, werde ich sie alle aufsuchen.«
Nach vielen Verzögerungen durch Krankheit und schlechte Straßenverhältnisse kehrte der Kaufmann Jacopo Capriani im Dezember in seine Heimatstadt Pisa zurück. Fast acht Monate war er fort gewesen auf einer anstrengenden, sorgfältig geplanten Reise, die nur einem Zweck diente: Geld zu verdienen.
Capriani handelte mit Halbedelsteinen und Kurzwaren – Koralle, Bernstein, Antilopentränen und allerlei Tand aus dem heißen Süden Italiens. In Neapel kaufte er Bänder und Kokarden, Borten und seidene Epauletten – schmückendes Beiwerk für die Damen und Herren Italiens und Frankreichs. Er reiste auf dem Landweg, die Waren wurden in Tragekörben von Maultieren von Neapel bis Marseille transportiert, und er kam jedes Jahr für vier oder fünf Monate nach Pisa, das auf halber Strecke dazwischen lag. In jeder Stadt kannte er die Kaufleute oder ihre Disponenten oder Bevollmächtigten. Er besuchte die Märkte und die Häuser der reichsten Familien und breitete seine Waren wie Schatzkarten vor ihnen aus, aber er machte auch im kleinsten Dorf und bei der ärmlichsten Hütte halt, denn er wollte sich keinen noch so kleinen Gewinn entgehen lassen.
Capriani besaß ein Haus in Pisa und Wohnungen in Neapel und Marseille. Auf Reisen übernachtete er in Gasthäusern an der Landstraße. Niemals in den besten, er wollte schließlich Geld verdienen und es nicht unnötig ausgeben, aber auch nicht in primitiven, denn als Kaufmann mußte er Seriosität vermitteln. Sein Haus in Pisa war nicht übermäßig groß, nicht protzig – er verabscheute Prahlerei –, aber geräumig genug, um ihm die gewünschte Bequemlichkeit zu bieten.
Er war Witwer. Seine Frau, an die er sich kaum noch erinnern konnte, war vor vielen Jahren bei der Geburt ihres ersehnten Kindes gestorben, und Jacopo Capriani hatte seitdem keine Notwendigkeit gesehen, sich erneut zu verheiraten. Von Zeit zu Zeit suchte er die eine oder andere der nicht so kostspieligen Kurtisanen von Pisa auf, doch es war inzwischen schon Jahre her, daß er dieses Bedürfnis zuletzt verspürt hatte. Er besaß Personal, das für ihn sorgte und ihn während seiner gelegentlichen Anfälle von Sumpffieber pflegte, er hatte keine Sehnsucht nach einer ständig plappernden Ehefrau.
Natürlich war er nicht allein gereist. Wegen seines empfindlichen Magens hatte er eine Köchin mitgenommen und zwei Dienstmädchen, die gewährleisteten, daß seine Kleidung stets in einem untadeligen Zustand war. Ferner ließ er sich von einer bewaffneten Wache begleiten – die Straßen waren unsicher und seine Waren wertvoll – und von drei Angestellten, die sich um die Buchführung kümmerten.
Einer dieser Angestellten war ungewöhnlicherweise eine Frau. Ihr Name war Serafina.
Die sechs Monate seit seiner Ankunft in Livorno hatten Thomas Marlowe, was die Fortschritte der Arbeiten an seinem Schiff betraf, ein ständiges Auf und Ab beschert, und der damit einhergehende Wechsel von Mutlosigkeit und Begeisterung hätte einen weniger stabilen Mann zerbrochen. Er hingegen wuchs an jeder Krise und kämpfte verbissen gegen Mangel an Phantasie oder Eifer bei seinen Mitarbeitern – mit einer Erbitterung, die nur diejenigen verstehen konnten, die sich wie er aus der Mittelmäßigkeit erhoben hatten.
Die absehbare Fertigstellung seines Traumes hatte ihm Durchhaltevermögen und sogar die Geduld verliehen, die zahllosen Widrigkeiten zu ertragen, von denen die schlimmste der chronische Holzmangel war, den er heute endlich hatte beheben können, nachdem er vier Tage damit verbracht hatte, die Docks und Straßen von Pisa und Livorno abzuklappern. Und jetzt feierte Thomas mit William Williams, dem Lehrling Cristofano und einigen der anderen Männer, die am Bau der Kingfisher beteiligt waren, diesen Erfolg.
»… die beste toskanische Eiche – und genug davon, um uns zumindest bis über den Frühling zu bringen«, endete er triumphierend und leerte seinen dritten Becher Wein.
Cristofano – zur Feier des Tages im sauberen Hemd und bunter Hose – stieg auf die
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