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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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einem Lächeln. »Ich verlasse das Gasthaus morgen, Monsieur Marlowe. Ich werde bei meiner Kinderfrau wohnen – Marthe.«
    Seine dick geschwollenen Augen starrten sie an. So hatte er sie noch nie angesehen. »Gut«, meinte er geistesabwesend. Mit Befriedigung stellte sie fest, daß er ihre Lüge keine Sekunde in Zweifel zog.
    »Sie sind also Ihrer Pflicht enthoben«, teilte sie ihm mit.
    Er schien protestieren zu wollen, doch er tat es nicht. Statt dessen riß er zu ihrer Überraschung den Hut vom Kopf, ergriff ihre Hand und führte sie an die Lippen. »Ganz wie Sie befehlen, Mademoiselle. Ich wünsche Ihnen alles Gute«, verabschiedete er sich formvollendet und ging.
    Das Zimmer erschien ihr plötzlich unerklärlich leer. Der Lärm der Feiernden, der von der Straße heraufdrang, war lauter geworden. Es klang, als hätten sich in dieser Nacht alle mißtönenden Instrumente von Marseille zu einem Orchester zusammengefunden. Gesprächsfetzen wehten durch das offene Fenster herein. Alle Sprachen der christlichen Welt schwirrten durch die Nachtluft-doch Serafina kannte noch eine andere Sprache, und es war ein Satz in der Lingua franca der Bagnos, der im Rhythmus der Musik durch ihren Kopf echote: Todo mangiado, hatten sie in Algier gesagt. Todo mangiado.
    Sie trat ans Fenster. Das Kleid hatte sie auf dem Markt gekauft – eine kühne Tat, denn es war kaum noch etwas von dem Gold übrig, das Kara Ali ihr mitgegeben hatte, doch sie wollte nicht, daß jemals wieder ein Mann sie so ansähe wie Angelo heute abend. Für ihn war sie ein unscheinbarer Junge von der Straße gewesen, für den er nur Verachtung übrig hatte.
    Die Leute unten auf dem Marktplatz hatten sich zu einem Tanz formiert. Lange Reihen wiegten sich zur Musik wie Schlangen zu den Flötentönen ihrer Dompteure. Serafina wußte nicht, wohin sie gehen, was sie tun sollte. Sie war eine Fremde im eigenen Land, ohne Familie – und ohne Erbe.
    Todo mangiado. Für immer verloren.

VIERTER TEIL
     
    1594–95
EIN GEEIGNETER
HAFEN
     
Der Herzog hat in Livorno, einer neu gegründeten und befestigten Stadt, einen Hafen anlegen lassen, doch die Florentiner sind keine Seefahrer, sondern sie lassen ihre Güter von fremden Händlern exportieren, die ihnen wiederum Lebensmittel und andere notwendige Dinge bringen.
Reiseberichtt
Fynes Moryson

 
 
     
    An der toskanischen Küste lag die Stadt Livorno, früher ein vom Fieber heimgesuchter Ort, umgeben von insektenverseuchtem Sumpfland. Doch dann ließ Cosimo di Medici den Hafen bauen, und sein Sohn erklärte die Stadt zum Freihafen. Livorno blühte auf. Bald konnte man hier alles kaufen: Getreide, Seide und andere Stoffe, Gold, Silber – und Menschen. Auch in Livorno gab es Bagnos – und Galeeren, die mit moslemischen und christlichen Sklaven bemannt waren. Schmuggelgut – Waffen, Salpeter oder Munition – wurden ebenso gehandelt wie die Beute aus Piratenraubzügen. Die neuen Handelsgesellschaften im Norden brauchten Livorno, das – auf halbem Weg zwischen dem Atlantik und der Levante gelegen – eine günstig gelegene Zwischenstation darstellte. Auf den Docks traf man Menschen aus allen christlichen Ländern: Griechen und Korsen, Engländer und Holländer arbeiteten auf den Handelsschiffen, die das Mittelmeer befuhren.
    An jenem Novembertag des Jahres 1594 war der Himmel tiefblau, und die Sonne schien auf die Ziegeldächer und das blaßgrüne Sumpfland entlang der Küste. Auf den Docks herrschte reger Betrieb: Rundschiffe und Galeeren wurden überholt, neue als Ersatz für diejenigen gebaut, die in Unwettern untergegangen oder von Korsaren aufgebracht worden waren. Fässer mit Teer, Taurollen, Säcke mit Hanf und Stoffballen lagerten in den Schuppen am Hafen. Die vergoldeten Buge der Galeeren glitzerten in der grellen Wintersonne. Karawellen, Galeassen und Koggen schaukelten mit der sanften Dünung. Sägen schnarrten. Hämmer klopften, es roch nach Pech und Kohle, und es wimmelte von Menschen: Zimmerer und Seiler, Segelmacher, Schmiede, Kalfaterer und Böttcher arbeiteten emsig Seite an Seite.
    Auf einem der Trockendocks lagen Kiel, Achtersteven und Planken einer Galeone wie das sonnengebleichte Skelett eines riesigen Fisches. Nicht weit davon beugte sich William Williams mit der Säge in der Hand über ein Brett. Neben ihm hantierte sein Lehrling, ein dunkelhäutiger, lockenköpfiger Junge von fünfzehn Jahren, mit Winkel und Meßstab.
    Als Thomas ihm nach der Anreise aus Marseille die Pläne für die Kingfisher

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