Seraphim
Seite, und er auch.« Er wies neben sich, und jetzt erst sah Katharina, dass in der Tür zu ihrer Zelle noch jemand stand.
Es war Richard Sterner.
In seinen dunklen Augen lag ein Ausdruck, den Katharina nicht zu deuten wusste. Mit einem schwachen Kopfneigen grüßte er sie.
»Ihr habt geträumt«, sagte er mit seiner ruhigen Stimme.
Katharina streckte sich. Sie musste sich im Schlaf auf ihrer Liegestatt herumgeworfen haben, denn ihr Rücken schmerzte. »Nur ein Traum«, murmelte sie. »Was wollt Ihr hier?«
»Euch helfen.« Er sagte es leise, so, als habe ihn ihre Frage getroffen.
Sie hob den Kopf und sah ihm ins Gesicht. »Wie wollt Ihr das tun?«
Er zuckte die Achseln und betrat die Zelle. »Ich kenne Bürgermeister Zeuner recht gut, ich könnte mich für Euch verbürgen.«
»Wir kennen uns gar nicht!«, widersprach Katharina. Sie hörte, wie Sebald einen überraschten Laut ausstieß.
Sterner warf ihm über die Schulter einen kurzen, undurchdringlichen Blick zu, schwieg jedoch.
»Woher wollt Ihr wissen, dass das, was man mir vorwirft, nicht wahr ist?«
»Hexerei?« Er schnaubte, als sei dies nicht einmal einer Erwähnung wert.
Katharina stellte die Füße auf den Boden. Es tat gut, dass Sebald da war, und auch die Sorge, die Richard Sterner um sie zu empfinden schien, verschaffte ihr ein klein wenig Erleichterung.
»Darf ich?« Sterner wies auf die Bank neben Katharina.
Sie nickte. Vorsichtig ließ er sich neben ihr nieder, sorgfältig darauf bedacht, sie nicht zu berühren.
Dann saßen sie eine lange Zeit einfach nur schweigend nebeneinander, während Sebald an eine Wand gelehnt dastand und seine Blicke zwischen ihnen hin- und herwandern ließ.
»Ich muss gehen«, sagte er irgendwann. »Ich habe noch einiges zu tun, wegen der Hinr...« Er verstummte mitten im Wort undpresste die Lippen aufeinander. »Ich darf Euch nicht hier mit ihr allein lassen«, sagte er zu Sterner.
Katharina wollte etwas erwidern, aber Sterner hatte bereits die Hand an der Geldbörse, die ihm vom Gürtel hing. Sebald griff nach der Tür. »Lasst Euer Geld stecken!«, brummte er. »Ich will es nicht. Katharina, möchtest du, dass er hier bei dir bleibt?« Ein unbestimmter Ausdruck von Trauer lag in seinen Augen, und ganz kurz war Katharina versucht, den Kopf zu schütteln, nur, um ihm nicht weh zu tun. Aber dann siegte die Angst. Die Angst vor der Dunkelheit, vor den Steinen und Riegeln und Schlössern, die zwischen ihr und der Freiheit lagen. Die Angst vor den Träumen.
Sie nickte kläglich.
Sebald warf Sterner einen langen finsteren Blick zu, als wollte er sagen: Lasst die Finger von ihr! Dann streckte er die Hand aus. »Gebt mir Euren Dolch!«
Richard gehorchte, und mit der Waffe in der Hand ging Sebald und schloss die Zelle hinter sich.
»Er mag Euch«, sagte Sterner leise. »Es gefällt ihm nicht, dass ich hier bin.«
»Es gehört sich auch nicht.«
»Ihr wolltet, dass ich bleibe.«
»Ja.«
Richard lehnte den Kopf gegen die Wand und seufzte. »Was genau wirft man Euch vor?«
Und jetzt erzählte Katharina ihm alles. Sie erzählte von Bettine Hoger und den anderen Patrizierfrauen, die sich in ihrer Obhut befanden. Und sie erzählte auch von den Tränken, die sie herstellte, um ihnen zu helfen. »Das gefällt manchen Männern nicht«, endete sie. »Und Peter Hoger hat mich schließlich angezeigt. Er glaubt, dass ich schuld bin an der Krankheit seiner Frau.«
»Aber das seid Ihr nicht.«
Sie zuckte die Achseln.
Viel mehr gab es nicht zu sagen. Irgendwann schloss Richard die Augen. Aber das Bild mit den bleichen Knochen kam so schnell, dass er Luft durch die Zähne zog.
»Was habt Ihr?«
Er hörte Katharina Kleider rascheln und spürte ihre Bewegung an seiner Seite. Aber er öffnete die Augen nicht, sondern beantwortete einfach ihre Frage: »Ich musste an etwas denken.«
»Wollt Ihr mir sagen, woran?«
Richard schüttelte den Kopf. Er würde Katharina nicht noch zusätzlich mit seinen eigenen Problemen belasten, entschied er.
Erneut raschelten Katharinas Kleider. »Warum seid Ihr hier?«
Weil ich nicht anders kann , hätte er beinahe gesagt, aber wieder schwieg er. Er öffnete die Augen wieder, spürte Katharinas Blick schwer und fast unerträglich auf sich ruhen, und er musste alle Kraft aufbieten, um ihm standzuhalten. Ihre rauchblauen Augen glänzten im unruhigen Licht der Laterne wie Eis, und ihre Lippen waren leicht geöffnet. Ihr Busen hob und senkte sich zwar langsam, aber dennoch war ihr die Mühe
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