Seraphim
...« Er verstummte, weil Richard schmerzlich das Gesicht verzerrte. »Schon gut. Du weißt, was ich meine.«
Richard holte zitternd Luft. Es gab nichts dazu zu sagen.
Schließlich war es Arnulf, der als erster wieder sprach. »Im übrigen waren es zwei Mal.«
Richard schaute fragend auf.
»Zweimal habe ich dir das Leben gerettet.«
Katharina erwachte in einem fremden Zimmer, und kurz dachte sie, sie sei wieder in Bertrams Wohnung. Dann jedoch fiel ihr auf, dass der Geruch der Laken gänzlich anders war; keine Blüten, sondern etwas Herberes. Sandelholz, vermutete sie.
Sie richtete sich auf und sah sich um. An ihrem Hals spannte etwas, und sie tastete danach. Ihre Finger stießen auf einen Verband, und nun fielen ihr die Ereignisse am Rabenstein wieder ein. Sie war gebissen worden!
Ein Schauder erfasste sie und ließ den Arm zittern, auf dem sie sich abgestützt hatte.
Sonnenlicht fiel durch ein offenes Fenster, durch das auch der Lärm der Stadt hereindrang. Das Bett war groß und aus dunklem Holz, die Stangen, die einen schweren dunkelroten Baldachin hielten,kunstvoll gedrechselt. Es gab nur wenig Schmuck. Ein Bild hing über dem Betthaupt, doch Katharina konnte im Liegen nicht erkennen, was es darstellte. Dem Bild gegenüber hing ein Regalbrett an der Wand, ganz ähnlich wie das in ihrem eigenen Haus, nur dass auf diesem hier sehr viel mehr Bücher standen als bei ihr. Sie kniff die Augen zusammen, aber es gelang ihr nicht, die Titel zu entziffern.
Vorsichtig setzte sie sich aufrecht hin. Sie fühlte sich schwindelig, aber nicht sehr, und um dem Schwindel zu entkommen, atmete sie tief durch.
»Ich sehe, es geht Euch besser!«
Die warme Stimme Richard Sterners ließ sie ein wenig zusammenzucken. »Ich fühle mich auch besser«, sagte sie. »Bin ich in Eurem Haus?«
Sterner trat an das Bett und sah auf Katharina nieder. In seinen Augen stand ein winziges Lächeln. »Ja.« Er streckte die Hand aus, um ihre Stirn zu fühlen, aber dann hielt er befangen inne. »Doktor Schedel meint, wenn sich die Wunde bis morgen früh nicht entzündet, dann wird alles gut verlaufen.«
Sie wartete einfach, und endlich berührte er sie. Ihre Haut begann unter seinen Fingern zu kribbeln.
»Ich danke Euch für Eure Fürsorge«, sagte sie.
Er ließ sich auf der Bettkante nieder. »Ich habe es gern getan.« Er klang ernst und aufrichtig. »Sehr gern.«
»Ich werde Euch das Geld, das Ihr dem Medicus gegeben habt, nie zurückzahlen können.«
»Scht!« Er legte ihr die Fingerspitzen auf den Mund. Dann wurde ihm bewusst, was er tat, und er zuckte zurück, als habe er sich verbrannt.
Wie ihre Stirn kribbelten auch ihre Lippen von seiner Berührung. »Wie lange muss ich noch in Eurem Bett bleiben?«, fragte sie, um die Stille nicht zu sehr anwachsen zu lassen.
Ein schwaches Lächeln hob seine Mundwinkel angesichts ihrer Formulierung. »Doktor Schedel meint, bis morgen früh – sofern Ihr Euch dann gut fühlt, dürft Ihr aufstehen.«
Katharina lauschte in ihren Körper hinein, aber sie konnte nicht herausfinden, ob ein Fieber kommen würde oder nicht. Die Wundean ihrem Hals schmerzte, aber es war auszuhalten. Katharinas Gedanken begannen zu schweifen.
»Woran denkt Ihr?«, fragte Sterner. Richard, dachte sie.
»An die Ereignisse am Rabenstein«, gestand sie.
Er nickte. »Es muss furchterregend für Euch gewesen sein.« Die Rechte hatte er in Katharinas Bettdecke gekrampft, als drohten auch ihn die Erinnerungen zu überwältigen.
Katharina zögerte kurz, dann legte sie ihre Hand auf seine Faust. Er schaute erstaunt in ihr Gesicht.
»Für Euch nicht minder«, sagte sie. »Könnt Ihr mir trotzdem erzählen, was geschehen ist? Ich erinnere mich kaum an etwas.«
»Arnulf vermutet, dass der Brunnen vergiftet wurde. Es sind nur Menschen in Raserei verfallen, die vorher von dem Wasser getrunken hatten.«
»Arnulf, das ist der Mann mit den grünen Augen, oder?«
Sterner nickte.
»Ist er ein Freund von Euch?«
»Ein Freund. Fast ein Bruder, jedenfalls hilft er mir, wenn ich allein nicht weiter weiß.«
Katharina versuchte die Bedeutung dieser Worte zu ergründen, aber es gelang ihr nicht. Sterner blickte sie ausdruckslos an.
»Er ist ein Nachtrabe, oder?«, fragte sie.
»Ja.« Jetzt war die Abneigung, über Arnulf zu sprechen, deutlich in Sterners Gesicht zu sehen, und Katharina wechselte das Thema.
»Vergiftetes Wasser«, sann sie. »Ihr habt mir immer noch nicht gesagt, was genau geschehen ist.«
»Die Menschen wurden
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