Seraphim
im Nacken saß. Unwillkürlich duckte er sich.
Über Bruder Markus’ Miene glitt ein Anflug von Zufriedenheit. »Ihr spürt es also auch.«
»Die Teufel?« Johannes hörte das Zittern in seiner Stimme. »Ich ringe jeden Tag mit ihnen.«
»Wisst Ihr, warum uns die Teufel der Hölle zunehmend plagen?«
»Ich fürchte nein.« Er dachte an die beflügelte Leiche in der Kapelle und an den ganz ähnlich hergerichteten Toten, vor dem er dreißig Jahren zuvor gestanden hatte. Die Schuldgefühle schlugen über ihm zusammen wie die Wogen eines riesigen, endlosen Meeres. »Oder doch: Die große Sündhaftigkeit der Welt?«
Bruder Markus lachte. »Ihr nehmt Euch wichtiger, als Euch zusteht, mein Guter! Nein! Der Grund für das immer häufiger werdende Auftreten von Teufelswerk ist ein ganz anderer. Nämlich der, dass die Hexen und Zauberer begonnen haben, sich zu Zirkeln zusammenzuschließen. Zu Sekten, deren einziges Ziel es ist, die heilige Kirche zu vernichten, um zu ihren uralten heidnischen Praktiken zurückzukehren. Diese Menschen, Bruder Infirmarius, sie beschwören die Teufel und Dämonen und rufen sie aus den Tiefen der Hölle hinauf in unsere Welt.« Der Inquisitor strich beiläufig über die Bettdecke. »Aber ich bin nicht gekommen, um Euch eine Predigtüber das Hexenwesen zu halten. Das bespreche ich lieber mit Eurem Prior. Eigentlich wollte ich von Euch etwas ganz anders wissen.«
»Und das wäre?« Johannes musste sich räuspern. Das Gewicht auf seinen Schultern war wieder fort, aber dennoch wurde er das Gefühl nicht los, von einer unsichtbaren Bedrohung umzingelt zu sein.
»Wisst Ihr, was im Dormitorium geschehen ist?«
»Nein! Wir kamen erst, nachdem Ihr ... ich meine ...« Hilflos verstummte Johannes.
»Nachdem ich meine Begleiter umgebracht hatte, wolltet Ihr sagen.«
»Ich würde nie wagen, Euch ...«
»Schon gut. Nennen wir das Kind beim Namen.« Bruder Markus sah auf seine geballten Fäuste nieder. »Mit diesen Händen habe ich sie getötet, daran erinnere ich mich. Dass ich verhext war, steht ja wohl außer Zweifel, aber dennoch würde ich gern wissen, was genau in dieser schrecklichen Nacht geschehen ist. Einzelheiten, versteht Ihr?«
»Woran erinnert Ihr Euch?«
»Wir kamen am Nachmittag hier an, der Prior hieß uns willkommen, und wir zogen uns zu einer Besprechung in seine Zelle zurück, in der wir für ungefähr eine Stunde über den Hexenhammer disputierten. Danach nahmen wir an der Messe teil und auch am Abendessen der Mönche. Prior Claudius ließ uns den besten Wein des Klosterkellers servieren, aber ich bestand darauf, ihn mit seinen Mönchen und ihm zu teilen. Anschließend zogen wir uns zurück ins Dormitorium. Ich erinnere mich noch daran, dass wir uns die Malereien an den Wänden anschauten und überlegten, ob wir den Künstler für eines unserer Klöster einstellen sollten. Dann gingen wir schlafen. Ich weiß auch noch, dass ich wach wurde, weil sich eine meiner Visionen ankündigte. Ab und an spricht Gott mit mir, müsst Ihr wissen. Aber ich hatte fürchterlichen Durst, und so manifestierte sich die Vision nicht. Ich wollte etwas trinken, doch der Wein in unserem Krug schmeckte mir plötzlich ekelhaft, also schickte ich einen meiner Männer, um Wasser zu holen.«
»Moment!« Johannes’ Finger schoss in die Höhe. »Wisst Ihr, woher Euer Mann das Wasser hatte?«
»Aus dem Brunnen im Hof, vermute ich.« Krainer zuckte die Achseln. »Aber sicher bin ich nicht. Er nahm den Weinkrug und kam kurze Zeit später mit ihm zurück. Da hatte er Wasser darin. Warum interessiert Euch diese Frage?«
Johannes stand auf. »Darf ich Euch kurz untersuchen?«
Stirnrunzelnd nickte der Inquisitor, und Johannes ließ sich von ihm die Zunge zeigen. Sie sah völlig gewöhnlich aus, ohne sichtbare Verfärbungen. Auch der Atem von Bruder Markus roch nicht ungewöhnlich. Und die Farbe seiner Augäpfel und der Innenseite seiner Lider entsprach dem Üblichen.
»Was bezweckt Ihr mit dieser Untersuchung?«, fragte der Inquisitor.
»Ich hege den Verdacht, dass Ihr vergiftet wurdet«, erklärte Johannes. »Wie Ihr inzwischen wisst, hat es in der Wasserleitung der Stadt einen grausamen Mord gegeben. Unser Brunnen ist mit dieser Wasserleitung verbunden.«
Bruder Markus’ Augen weiteten sich. »Vergiftet? Ihr meint, dass ich unter dem Einfluss dieses ... dieses Giftes meine Gefährten ...« Seine Stimme kippte weg. Seine Lippen formten lautlose Worte, wie ein eilig geflüstertes Gebet. »Aber wer sollte
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