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Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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stehendem Gras hindurch. Die Luft roch anders, frischer, nach den Heuhürden, die überall zum Trocknen aufgebaut waren. Ganz in der Nähe waren lautes Rufen und das peitschenartige Knallen von abgefeuerten Armbrüsten zu hören. Katharina achtete nicht darauf, denn sie wusste, dass auf der Insel die Eibenschützen ihre Schießstände hatten und dass sie in den heißen Sommermonaten die Vormittagsstunden nutzten, um ihre Übungen zu absolvieren.
    Sie ging bis zu einer Gruppe von Weidenbäumen, die dicht am Fluss standen und ihre schlanken Äste bis auf die trockenen Uferränder hängen ließen. Wenn die Pegnitz Hochwasser führte, berührten diese Äste das Wasser und wiegten sich leicht in der Strömung. Heute jedoch regten sie sich nicht, und auch die drei Schwanenpärchen, die sonst stets hier ihre Kreise zogen, waren nirgends zu sehen.
    Katharina zögerte, doch dann zwängte sie sich durch das Unterholz, das die Weiden mit ihren schlanken, wie Speere aufragendenAblegern bildeten. Das Ufer der Pegnitz senkte sich an dieser Stelle steil zum Wasser hin ab. Eine Baumwurzel hatte eine natürliche Stufe geschaffen, auf die Katharina nun ihren Fuß setzte. Sie griff nach einem vorstehenden Ast, ließ sich daran hinab und fand sich direkt am Wasserrand wieder. Ein Polster aus dichtem Moos bildete hier ein bequemes Sitzkissen, auf dieses ließ Katharina sich sinken. Sie zog die Knie an und umklammerte sie mit den Armen. Ihr Blick fiel dabei auf die feinen Narben an ihren Handgelenken. Die Schüsse hallten in ihren Ohren wider und riefen Erinnerungen wach, denen sie sich nur hier, an diesem Platz, stellen konnte.
    »So viele Narben!«
    Egbert lag neben ihr auf der Seite, den Kopf in die eine Hand gestützt, so dass ihm seine blonden Haare über den Unterarm flossen. Zärtlich fuhr er mit der anderen über die dünne Haut an ihrem rechten Handgelenk. Die Haare an Katharinas nackten Armen richteten sich auf. Sie war besessen von seinen Berührungen, gierte danach in jeder Minute, die Egbert nicht bei ihr war. Und so hielt sie still, auch wenn ihr seine Betrachtung ihrer Narben an den Handgelenken unangenehm war.
    »Woher stammen sie?«, fragte er.
    Sie zog mit der Linken das Laken ein Stück höher über ihren nackten Leib, schloss die Augen und genoss das Prickeln ihrer Haut unter seinen Fingerspitzen. »Aderlässe«, murmelte sie. Sie war schläfrig und völlig entspannt.
    Egbert hob den Kopf von seiner Hand, musterte Katharina einen Moment und legte sich dann der Länge nach auf das Kissen, das unter ihm völlig plattgedrückt war. »Dachte ich mir.«
    Katharina ließ ihre Finger über seinen entblößten Oberkörper krabbeln. Ihre Nägel verfingen sich dabei in den rotblonden Haaren auf seiner Brust. »Es hätte mich enttäuscht, wenn du es dir nicht gedacht hättest«, neckte sie ihn.
    Er machte ein schnurrendes Geräusch. »Warum?«, fragte er. Seine Augen waren weit und sehr blau.
    »Weil du bald selbst ein Medicus sein wirst. Da solltest du Aderlassschnitte erkennen, wenn du sie siehst.«
    Er grinste breit. Er hatte ein wundervolles Grinsen, ein bisschen schief und immer etwas spöttisch. Manchmal wusste Katharina nicht, ob er sie ernst nahm, aber meistens störte sie das nicht weiter. Sie ließ sich ebenfalls in die Kissen fallen und schloss die Augen.
    Wie verliebt sie in ihn war!
    »Warum wurdest du zur Ader gelassen?«, fragte er.
    Katharina schreckte auf. Sie war eingedöst und hatte gar nicht gemerkt, wie die Zeit vergangen war. Die Nachmittagssonne, die in ihr Schlafzimmer schien und das Fensterkreuz als Schatten über ihr Bett warf, war eine gute Handbreit weitergewandert.
    »Ach, nur so.«
    Egbert setzte sich auf. Das Bettlaken rutschte ihm dabei vom Körper und entblößte seinen muskulösen Bauch und einen Teil der Haare unter seinem Nabel. Katharina spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte. »Niemand wird nur so zur Ader gelassen, Kindchen!«
    Sie hasste es, wenn er sie Kindchen nannte. Sicher, sie war mehr als zehn Jahre jünger als er, aber sie war immerhin seine Frau! Als sie siebzehn geworden war, hatte er sie geheiratet.
    »Als Kind war ich einmal ziemlich krank«, sagte sie. Es fühlte sich an, als müsse sie ihm ein Geständnis machen.
    Er runzelte die Stirn. Dann schaute er an sich herunter und zog die Decke bis zur Brust hoch. »Davon hast du noch nie etwas erzählt!«
    Klang er ein wenig enttäuscht? Böse sogar?
    Katharina lehnte sich an ihn und legte ihren Kopf an seine Brust. Tief sog

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