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Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Er fühlte sich elend, voller Unbehagen.
    »Und die wäre?«
    Johannes musste tief Luft holen, bevor er eine Antwort gab. »Er könnte ... verhext worden sein.«
    Claudius ließ von seinen Papieren ab. Er umrundete das Pult und ließ sich in dem Lehnstuhl dahinter nieder. Dann stützte er die Ellenbogen auf den Lehnen ab, legte die Fingerspitzen gegeneinander, so dass seine Hände ein Dreieck bildeten. Darüber hinweg sah er Johannes ins Gesicht. »Ihr wisst, was Ihr da sagt?«
    Johannes zwang sich, nicht nach hinten zu sehen. Wieder hatte er das Gefühl, in der Ecke hinter seinem Rücken säße ein unsichtbarer Teufel, der ihn mit seinen Blicken durchbohrte, sein Herz zum Klopfen brachte und seinen Magen in Aufruhr versetzte. Er nickte nur.
    Claudius verschränkte die Finger wie zum Gebet und saß eine Weile schweigend da. Schließlich löste er die Hände voneinander und legte die Rechte auf ein dickes Buch, das neben einem Tintenfass und einer Handvoll Schreibfedern auf dem Pult lag. »Wisst Ihr, was das hier ist?«
    Johannes schüttelte den Kopf.
    »Ein neues Werk, geschrieben von zwei Angehörigen unseres Ordens.« Claudius schob Johannes das Buch zu, und der beugte sich vor, um es aufschlagen zu können. Es war eine gedruckte Schrift, was Johannes verwundert aufschauen ließ, denn eigentlich war der Priorkein Verfechter der neuen Kunst des Buchdrucks. Er zog es vor, seine Bibliothek mit Werken auszustatten, die von den Mönchen in sorgfältiger Handarbeit kopiert worden waren.
    Claudius schob das Kinn vor. »Dieses Buch, das vor vier Jahren erschienen ist, war der Grund, warum die Brüder Inquisitoren zu uns kamen. Lest die ersten Absätze!«
    Johannes gehorchte.
    »Laut!«, fügte der Prior hinzu. »Und übersetzt sie gleich.«
    Etwas unbehaglich ob dieser unerwarteten Prüfung seiner Lateinkenntnisse, begann Johannes zu lesen: »Des Hexenhammers erster Teil, enthält drei Dinge, die zur Hexentat gehören, nämlich einen Dämon, einen Hexer und die göttliche Zulassung.« Er zögerte, weil er aus einer Zimmerecke ein leises Kichern zu hören glaubte.
    Prior Claudius interpretierte sein Zögern falsch. »Ja«, sagte er grimmig. »Eine beängstigende Vorstellung, nicht wahr, dass Gott die Zauberei billigen könnte?«
    Johannes schluckte. »Aber hier steht nichts von seiner Billigung. Hier steht nur, dass er die Tat zulässt. Ist das nicht ein Unterschied?«
    Claudius knirschte hörbar mit den Zähnen. »Es bedarf einer theologischen Disputation, um dies zu erörtern. Lasst Euch jedoch soviel gesagt sein: Gott ist allmächtig, also wäre es ein Leichtes für ihn, die Hexerei zu vernichten. Warum tut er es dann nicht? Man könnte darin einen Beleg für seine Billigung sehen. Es ist ein Aspekt jener Frage danach, warum Er das Böse zulässt.«
    »Ich verstehe nicht, was Ihr mir sagen wollt.« Johannes verspürte Abwehr gegen die Dinge, von denen der Prior sprach. Er war nur ein einfacher Mönch, mehr nicht. Er wollte sich mit den großen theologischen Fragen nicht befassen.
    Mit einem zornigen Ruck riss Claudius ihm das Buch wieder aus der Hand, klappte es zu und ließ es auf das Pult krachen. »Was ich Euch sagen will, ist, dass dieses Buch auf offiziellen Wunsch von Rom erschienen ist. Das bedeutet, wir müssen uns mit dem Gedanken vertraut machen, dass wir all die Jahre lang falsch lagen, Johannes. Gott lässt die Zauberei nicht nur zu, er billigt sie sogar! Das ist die Kernaussage dieses Buches.«
    Johannes schluckte. »Was verlangt Ihr von mir?«
    Claudius lächelte schwach. »Ich möchte, dass Ihr die Mönche im Auge behaltet. Ich habe eine Ausgangssperre für die Einfachen unter ihnen verhängt, denn ich möchte vermeiden, dass sie in der Stadt über die Vorgänge hier im Kloster plaudern. Das wäre in zweierlei Hinsicht schlecht für uns. Zum einen möchte ich nicht, dass die Spatzen diese furchtbaren Morde von den Dächern pfeifen. Zum anderen aber auch, weil Teile dieser Schrift«, er wies auf das Buch, »in Form von Handzetteln in der Stadt kursieren. Die Menschen könnten in große Angst verfallen.«
    Johannes nickte. Wenn schon er diese Angst verspürte, wie sehr würden die Morde dann erst die Menschen außerhalb der Klostermauern beeindrucken? Er starrte auf das Buch.
    Göttliche Zulassung von Hexenwerk! Ihn schauderte. »Wegen der Leichen – was gedenkt Ihr mit ihnen zu tun?«
    Claudius hob eine Augenbraue, was Johannes vermuten ließ, dass er über genau dieses Thema vorhin gesprochen hatte;

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