Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
Vom Netzwerk:
weit war er auf seinem Weg bereits ins Dunkel abgeglitten?
    »Hoffentlich!« Der Getreidehändler marschierte in Richtung des Bogendurchgangs, der in den hinteren Teil des Kellers führte. »Kommt mit«, befahl er. »Wir haben jetzt Wichtigeres zu besprechen als Eure Studien!«
    Zu dritt gingen sie durch den Bogengang in einen Raum, den Richard bisher niemals betreten hatte. Fässer und Säcke standen hier zu hohen Stapeln aufgerichtet, und in einer Ecke befand sich eine wuchtige Reisetruhe, auf deren Deckel mehrere weiße Leintücher abgelegt worden waren. Eine einzelne Kerze brannte in einer Laterne unter der Decke und verbreitete mehr Düsternis als Licht.
    Pömer führte sie zu einem der Fässerstapel, der ungefähr eine Schrittlänge vor der hinteren Wand stand. Diese Wand war nicht wie die anderen aus Stein, sondern aus schwarzen Eichenbohlen zusammengefügt. Direkt hinter den Fässern befand sich eine schmale, mit einem großen eisernen Schloss versperrte Tür. Pömer klopfte mit dem Knöchel seines Mittelfingers dagegen. Sie hörte sich massiv an.
    »Dahinter«, erklärte der Getreidehändler, »befindet sich ein Gang, der eigentliche Grund, warum ich dieses Haus gekauft habe.«
    Der Untergrund unter der Stadt war durchlöchert von Felsenkellern, von Gängen und Kammern, in denen Vorräte gelagert oder Bier gebraut wurden. Ein Gang von einer Ecke der Stadt zu einer anderen war nichts Ungewöhnliches, und doch hatte Richard das Gefühl, dass Pömer deswegen aufs Äußerste beunruhigt war. »Und?«, fragte er.
    »Durch diesen Gang schafft Arnulf die Leichen hier herein.« Pömer sah Richard an.
    Als der schwieg, holte der Getreidehändler tief Luft und legte die Handfläche gegen die Tür. »Der Gang führt von hier aus in Richtung Norden und mündet in der Nähe des Rathauses in die Lochwasserleitung. Und: Ich habe keinerlei Genehmigung dafür.«
    Marquard stieß einen leisen Pfiff aus.
    Und jetzt endlich begriff Richard, was der Getreidehändler ihm zu sagen versuchte. »Durch diesen Gang wäre es möglich, aus Eurem Keller unter den Stadtmauern hindurchzugelangen!«
    »Und umgekehrt.« Pömer seufzte.
    »Und umgekehrt. Einen solchen Gang zu graben würde der Rat als Verrat verstehen. Ich vermute, Zeuner weiß nichts davon?«
    »Natürlich nicht! Bis eben wusste das niemand. Zeuner war zwar eine Zeitlang Mitglied dieses anatomischen Zirkels, aber den Gang habe ich stets vor ihm geheimgehalten.«
    »Und vor uns auch«, fügte Marquard an. Er wirkte ein wenig gekränkt.
    »Warum zeigt Ihr ihn uns jetzt?«, fragte Richard. Insgeheim überlegte er, ob es klug von Pömer gewesen war, auch Marquard den Gang zu zeigen. Der Maler war in seinen Augen nicht besonders zuverlässig.
    »Wenn Zeuner den Mord in der Wasserleitung untersuchen lässt, besteht die Gefahr, dass er den Gang entdeckt. Sein Eingang ist zwar gut getarnt«, Pömer wischte sich über den Mund, »aber die Gefahr besteht trotzdem.« Jetzt bestätigte er das, was Richard vorhin vermutet hatte. Als Ratsneuling war der Getreidehändler noch nicht in der Position, bei den Berichten anwesend zu sein, die die Schöffen in regelmäßigen Abständen dem Inneren Rat zu leisten hatten. »Ichmuss wissen, wie der Stand der Dinge ist«, beendete er seine Erklärung. »Aber wenn ich zu offensichtlich danach forsche, fällt es auf. Ihr dagegen ...«
    »Wozu hat man noch mal diesen Gunther, diesen anderen Stadtverräter, verurteilt?« Die Frage des Malers unterbrach Pömer mitten im Satz. Niemand hielt es für nötig, sie zu beantworten, stattdessen breitete sich eine angespannte Stille im Raum aus.
    »Vielleicht haben sie den Mörder längst gefasst«, hoffte Marquard. »Dann bestünde keine Notwendigkeit, in der Lochwasserleitung herumzukriechen.«
    Richard verspürte einen fast zornigen Widerwillen gegen den Maler. »Ich könnte versuchen, mich ein bisschen umzuhören«, bot er an. »Vielleicht finde ich ein paar Leute, die mehr wissen als wir. Jemand, der die Leiche gefunden hat, zum Beispiel.«
    Pömer nickte eifrig. »Genau das wollte ich sagen! Ich werde Euch ein Legitimationsschreiben ausstellen, das beweist, dass Ihr in meinem Auftrag handelt. Es sollte Euch einige Türen öffnen.« Er eilte durch den Bogengang wieder nach vorn. Als Richard ihm folgte, war er bereits dabei, mit rascher Hand einige Zeilen auf ein Blatt Papier zu schreiben. Er signierte sie, dann siegelte er das Papier und reichte es Richard. »Geht gleich«, forderte er.
    Richard schaute auf

Weitere Kostenlose Bücher