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Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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»Schon, aber die Pfinzings zum Beispiel haben auch dauernd zwei.«
    Dieser Streit währte schon seit Jahrzehnten und flammte immer wieder einmal auf. Er interessierte Richard nicht, also schlenderte er weiter und wandte sich dabei nach rechts. Die Stadt hatte in den letzten Jahren immer wieder angrenzende Häuser aufgekauft und sie durch Umbauten den eigenen Bedürfnissen angepasst. Der gesamte Komplex des Rathauses hatte dadurch und durch die unterschiedlichen Baustile der einzelnen Gebäudeteile eine fast labyrinthische Anmutung.
    In einer kleineren Halle, aus der eine Treppe sich wie eine Wendel in die Höhe schraubte, wurde Richard auf ein anderes Gespräch aufmerksam. Plötzlich fiel der Name des Getreidehändlers.
    »... dass er den Titel des Stadtrichters nicht tragen darf, wird Pömer schön fuchsen!« Es war ein noch recht junger Stadtrat, der das gesagt hatte. Richard kannte ihn flüchtig. Sein Name war Karl Mullner.
    Mullners Gesprächspartner, ein alter Mann, dem die schneeweißen Haare genau wie Richard in neuester italienischer Mode zu seidigen Wellen gelegt über die Schultern fielen, winkte ab. »Den fuchst so einiges, glaub mir!« Der Alte bemerkte, dass Richard sie belauschte, und wandte halb den Kopf.
    Richard fasste sich ein Herz. »Verzeiht«, sagte er. »Ich bin auf der Suche nach Bürgermeister Zeuner. Wisst Ihr zufällig, wo ich ihn finde?«
    Der alte Mann zuckte die Achseln. »Ich glaube, er wollte zum Predigerkloster. Hat er jedenfalls gesagt.«
    »Nein, er ist längst zurück.« Mullner wies mit dem Daumen hinter sich zur Treppe. »Wenn ich eine Wette abschließen müsste, würde ich meinen, er ist beim roten Siegmund.«
    Richard schaute die Stufen hinauf. Er schien ratlos auszusehen, denn der weißhaarige Alte erklärte ihm: »Siegmund ist einer der Schreiber. Er hat sein Kontor im ersten Stock und ist hier bekannt dafür, dass er immer eine Flasche mit Selbstgebranntem in seinem Pult aufbewahrt. Für die Schöffen, die aus dem Loch kommen und den Gestank aus der Kehle spülen müssen.« Er sah Mullner an und fügte bedeutungsvoll hinzu: »Oder die Mordopfer begutachten müssen.«
    »Dann war Zeuner heute schon im Loch?«, fragte Richard.
    Mullner nickte. »Heute Vormittag, ja. Warum interessiert Euch das?«
    »Nur so. Es heißt, es hat einen Mord gegeben. Bedeutet das also, dass Ihr bereits einen Verdächtigen habt?«
    Mullner runzelte die Stirn, aber dann musterte er Richard und fand ihn in seiner Kleidung für würdig, ihm Auskunft zu geben. »Einen Freund des Toten, ja. Einen Röhrenmeister namens Faro. Der Nachname ist mir gerade entfallen. Man fand ihn bei der Leiche, das blutige Messer noch in der Hand.«
    Richard verneigte sich knapp und wies die Treppe hinauf. »Oben, sagtet Ihr, ist Siegfrieds Kontor?«
    »Siegmund. Den Gang runter, zweite Tür rechts. Nummer vier.« Mullner nickte Richard zu und wandte sich dann wieder seinem Gesprächspartner zu.
    Ohne weiter beachtet zu werden, erreichte Richard die bezeichnete Schreibstube. Der Gang bestand zur Gänze aus dunklem, glänzendem Holz, Wände und Decken waren kassettenförmig gegliedert. Die Tür zu Siegmunds Kontor war, wie alle hier oben, mit Schnitzereien in Form von Efeublättern verziert und trug die Zahl Vier in alter Schreibweise auf Augenhöhe.
    Richard klopfte an, und als er zum Eintreten aufgefordert wurde, steckte er den Kopf durch den Türspalt. Ein Geruch schlug ihm entgegen, den er sofort erkannte.
    Branntwein.
    Zeuner war tatsächlich da. Er saß auf einem hölzernen Lehnstuhl, hatte den Oberkörper zurückgelehnt und die Augen halb geschlossen, als genieße er gerade die wärmenden Strahlen der Sonne, diedurch ein kleines Fenster hoch oben in der Wand auf sein Gesicht fielen.
    Hinter einem Pult aus Eichenholz, das übersät war mit Stapeln von Papier und alten ausgefransten Federn, hockte ein rothaariger Mann mit schiefen Zähnen und weit auseinanderstehenden Augen. Er schaute Richard fragend an.
    Der wies auf Zeuner. »Ich bin auf der Suche nach dem Herrn Schöffen«, sagte er.
    Das veranlasste Zeuner, die Augen zu öffnen und sich gerade hinzusetzen. »Ah, Sterner! Was führt Euch zu mir?«
    »Ich muss kurz mit Euch sprechen. Habt Ihr einen Augenblick Zeit für mich?«
    Zeuner warf einen Blick in Richtung des rothaarigen Schreibers. »Ich komme.« Mit einer schwungvollen Bewegung stand er auf. »Ich komme nachher noch mal, Siegmund«, sagte er. »Dann führen wir unser Gespräch zu Ende.«
    Der Schreiber nickte

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