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Serenade für Nadja

Serenade für Nadja

Titel: Serenade für Nadja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zülfü Livanelli
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Verstorbenen«, so als ob diese der Nahrung bedürften.
    Als wir ankamen, wollte der Taxifahrer kein Geld von mir nehmen.
    »An so einem Leidenstag will ich Ihnen doch nichts abknöpfen.«
    Er hatte keine Ahnung, worin mein Leiden eigentlich bestand, und er war nicht einmal neugierig darauf. Ich litt, das war ihm Anlass genug.
    Dann rief ich Tarık an, der mich bald darauf mit seinem Jaguar abholte. Was würden wohl nun die Nachbarn denken, falls sie die Zeitung gelesen hatten? Auf den alten Professor hin hat sie jetzt einen reichen Jungspund.
    Tarık brachte mich ins Paper Moon , ein Restaurant, in dem es vor allem ums Sehen und Gesehenwerden ging. Ich sträubtemich zwar dagegen, aber er hörte nicht auf mich. Die Kellner kannten ihn schon und wiesen uns einen schönen Tisch zu. Als sie uns die riesigen Speisekarten aushändigten, sagte ich zu Tarık: »Such du was für mich aus.«
    Er traf auch die richtige Wahl.
    »Du musst heute stark sein, also brauchst du was Gutes zu essen«, sagte er.
    Er dachte also genauso wie der Taxifahrer.
    Im sonst so vollen Paper Moon war eine ganze Reihe von Tischen unbesetzt. Die Krise hatte viele Geschäftsleute erwischt, die sich zwar teures Essen nach wie vor leisten konnten, sich aus Imagegründen aber an solchen Orten eine Weile nicht blicken ließen.
    In dem Restaurant zu sitzen, lenkte mich ein wenig ab, aber immer wieder gab es mir einen Stich, wenn ich daran dachte, wie schmählich ich behandelt worden war.
    Als das Essen serviert worden war, fragte ich Tarık, ob er schon einen Anwalt besorgt hatte.
    »Hast du dich ein wenig beruhigt?«, fragte er zurück.
    »Was heißt beruhigt? Ich bin heute rausgeschmissen worden, die Presse macht mich zum Gespött, und ich weiß nicht, was ich meinem Sohn sagen soll. Wie soll ich mich da beruhigen?«
    »Ich sage das, weil du mir in aller Ruhe zuhören musst. Ich habe mit keinem Anwalt gesprochen.«
    »Was?«
    »Und zwar, weil das kein Fall für einen Anwalt ist.«
    »Aber dann könnte ich doch wenigstens eine Gegendarstellung kriegen, und einen Beleidigungsprozess.«
    »Pass auf. Sagen wir, du nimmst dir einen Anwalt, und der setzt dir auch eine Gegendarstellung auf. Damit geht er vor Gericht, und wenn es klappt, erwirkt er die Gegendarstellung auch. Und die wird dann gedruckt oder nicht.«
    »Wie meinst du das?«
    »Die Zeitung darf die Sache hundert Tage hinauszögern. Und wenn sie sie gar nicht druckt, passiert ihr auch nichts, höchstens eine kleine Geldstrafe zahlt sie. Aber nehmen wir mal an, siedruckt sie. Dann hast du es damit geschafft, nach Ablauf von Monaten jedermann wieder an das Ganze zu erinnern.«
    »Na schön, und was ist mit einem Prozess wegen Beleidigung? Und mit Schadenersatz?«
    »Die simpelsten Verfahren ziehen sich in diesem Land über fünf Jahre hin, und dann kann man immer noch vor den Kassationshof gehen, wo die Sache wieder ein paar Jahre lang vor sich hinmodert. Falls das Urteil aufgehoben wird, geht alles wieder von vorne los. Nach fünf oder zehn Jahren ist es fast schon egal, ob du den Prozess gewinnst oder nicht.«
    »Ist es wirklich so schlimm?«
    »Ja, leider. Die Justiz ist hoffnunglos überfordert. Und darum lass es lieber. Das zermürbt dich sonst nur, und jedes Mal, wenn du vor Gericht gehst, wird alles wieder an die Öffentlichkeit gezerrt.«
    »Wie kann man dann hier überhaupt zu seinem Recht kommen?«
    »Das kann man gar nicht. Wusstest du schon, dass es hier Prozesse gibt, die sich über dreißig Jahre hinziehen, so dass am Ende Mörder davonkommen, weil ihre Tat inzwischen verjährt ist?«
    »Dreißig Jahre?«
    »Haargenau.«
    Das klang so hoffnungslos, dass sich mir die Kehle zuschnürte.
    »Was soll ich denn dann tun?«
    »Als Erstes sollst du mit dem Rumstocherei aufhören und dich richtig satt essen. Dann fährst du nach Hause, schläfst dich aus und wartest bis morgen.«
    »Und dann?«
    »Morgen steht in der Zeitung ein Artikel zu deinen Gunsten, und den zeigst du jedem, der dir irgendwas vorwirft, und du sagst, dass alles ein Irrtum war.«
    »Du hast also mit deinem Freund dort schon geredet?«
    »Klar. Tu einfach, was ich dir sage. Alles Weitere ergibt sich schon. Willst du Panna cotta?«
    »Nein.«
    »Ein Tiramisu?«
    »Nein«, sagte ich und musste schmunzeln.
    »Warum lachst du?«
    »Weil mich heute jeder zum Essen animiert. Was ist eigentlich mit meinem Geld, vermehrt sich das noch immer?«
    »Klar.«
    »Gut so, ich werde es brauchen können, denn jetzt bin ich

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