Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Serenade für Nadja

Serenade für Nadja

Titel: Serenade für Nadja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zülfü Livanelli
Vom Netzwerk:
nach. Bei dritten Mal war die Tüte noch immer leer, aber im Treppenhaus hörte ich Schritte. Der Hausmeister war also unterwegs und verteilte das Brot und die Zeitungen.
    Ich schloss die Tür und horchte. Als der Hausmeister bei mir ankam, raschelte die Tüte. Ich wartete, bis es draußen still war, dann holte ich mir die Zeitung. Auf der ersten Seite war nichts, aber schon auf der zweiten sprang mir ein riesiges Bild von mir entgegen, auf dem ich verlegen lächelnd ins Objektiv blickte. Unter dem Foto stand in Anführungszeichen »Er sah sehr gut aus«. Und darunter: »Unsere Reporterin sprach mit der Schlüsselfigur im Uniskandal«. Auch Maximilian war abgebildet.
    Der Artikel selbst ging völlig an dem vorbei, was ich der Journalistin gesagt hatte. »Er sah gut aus und spielte wunderbar Geige«, hieß es da lapidar. Das war mein Todesurteil.
    Das Blut schoss mir in den Kopf. Später griff ich zum Telefonhörer und rief die Journalistin an. Es hieß, sie sei noch nicht da.So wiederholte ich meinen Anruf alle zehn Minuten, und beim vierten Mal erwischte ich sie.
    »Wie können Sie mir das antun?«, plärrte ich. »Habe ich Ihnen das vielleicht erzählt? Ich gehe zu einem Anwalt und lasse eine Gegendarstellung erwirken.«
    Ich steigerte mich so hinein, dass ich gar nicht merkte, wie laut ich war.
    Text, Fotos und Zitate waren so geschickt arrangiert, dass man nicht umhinkonnte, auf eine Liebesgeschichte zwischen einem gutaussehenden, romantischen Professor und einer leicht nuttigen kleinen Uniangestellten zu schließen. Auch dass ich geschieden war, hatten sie nicht verschwiegen.
    Nach einer Weile nahm ich zwischen meinem Geschrei die Stimme der Journalistin wahr. »Ich bitte Sie vielmals um Entschuldigung. Sie haben völlig recht. Tut mir wirklich leid. Sie sollten eine Gegendarstellung fordern.«
    Ich stutzte.
    »Warum haben Sie das dann überhaupt verbrochen?«
    »Glauben Sie mir, ich kann nichts dafür. Ich habe alles genau so aufgeschrieben, wie Sie es mir erzählt haben. Und meine Überschrift lautete ›Eine einzige Verleumdung‹.«
    »Und?«
    »Dann hat der Redakteur eingegriffen«, sagte sie leise. »Ich bin nur eine kleine Reporterin. Was die aus meiner Nachricht machen, darauf habe ich keinen Einfluss.«
    »Aber warum tun sie mir so was an? Ich kenne diese Leute nicht, aber haben die gar keinen Respekt vor der Wahrheit? Wie soll ich weiterleben nach so einem Artikel?«
    »Ich verstehe Sie völlig. Bitte glauben Sie mir, dass mir das aufrichtig leid tut. Am besten ist wirklich, Sie verlangen eine Gegendarstellung.«
    Sie sagte das in so schmerzlichem Ton, dass ich ihr das Mitgefühl abnahm.
    »Mir tut es leid, dass ich Sie so angeschrien habe«, sagte ich.
    »Macht nichts. Das ist ja nur verständlich.«
    Nachdem ich aufgelegt hatte, schrak ich zusammen, als ich Kerems Stimme hörte.
    »Was ist denn, Mama? Wen hast du so angeschrien?«
    »Nichts Wichtiges. Ich hab Ärger auf der Arbeit. Komm, ich mach dir Frühstück.«
    Als Kerem aus dem Haus war, rief ich Tarık an, der mir gleich zu einem Anwalt riet. Allein sei das nicht zu bewältigen. Ich solle nur ja nicht in Panik verfallen, er werde mir einen Anwalt besorgen. Bei der Zeitung kenne er außerdem jemanden, den werde er bitten, die Sache zu berichtigen.
    »Beiß die Zähne zusammen. In diesem Land sind die größten Skandale nach einer Woche vergessen. Glaub mir, bald kräht kein Hahn mehr danach.«
    »Meine Kollegen und meine Nachbarn werden das nicht so schnell vergessen. Außerdem ist es eine schreiende Ungerechtigkeit.«
    »Ach, was denkst du, da gibt es ganz andere Fälle. Mörder und Vergewaltiger sind nach ein, zwei Jahren wieder draußen, oder man sperrt sie erst gar nicht ein. Und da kommst du mit deiner Ungerechtigkeit. Glaub mir, du bist ein ganz kleiner Fisch.«
    »Du hast leicht reden. Wenn du an meiner Stelle wärst, würdest du ganz was anderes sagen.«
    »Mag sein. Aber recht habe ich trotzdem. Was machst du heute?«
    »Ich gehe an die Uni. Es läuft ein Disziplinarverfahren gegen mich.«
    »Ruf mich danach an, dann bringe ich dich zu einem Anwalt. Wir können die Uni sogar verklagen.«
    So viel Anteilnahme hatte ich gar nicht von ihm erwartet. Man sieht eben in der Not, wer zu einem hält. Allerdings hatte die Sache einen Haken. Tarık war ja der Meinung, an dem Artikel sei alles erlogen, und eine Klage gegen die Uni erschien ihm daher plausibel. Sollten aber dann Zeugen aussagen, dass ich nackt mit Maximilian im Bett gelegen hatte,

Weitere Kostenlose Bücher