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Serenade für Nadja

Serenade für Nadja

Titel: Serenade für Nadja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zülfü Livanelli
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würden die Zuhörer wieder draußen in ihrem Alltag sein und nicht mehr »den Menschen als Menschen ansehen«.
    Mit einer Geste gebot der Professor dem Beifall Einhalt undsetzte seinen Vortrag fort. Ich aber erstarrte. Und bekam von dem Gesagten nichts mehr mit. Die Worte des Professors gelangten nur mehr wie durch eine dicke Wand zu mir, wie ein Rauschen. Ich hörte noch seine Stimme, verstand aber nicht mehr, was er sagte. Deutlich sah ich in dem Audimax nur noch drei Männer. Nur zu ihnen sah ich noch hin. Ja, sie waren es ganz gewiss! Die drei Männer aus dem weißen Renault! Da saßen sie, hörten aufmerksam zu und schrieben sogar mit.
    Wer bist du, Maximilian Wagner? Auf der Rückfahrt ins Hotel stellte ich mir unaufhörlich diese Frage. Wir sprachen nicht miteinander, und Süleyman musterte uns misstrauisch im Rückspiegel. Irgendwann merkte ich, dass der Professor die Augen geschlossen hatte. Für jemanden seines Alters war es ein anstrengender Tag gewesen.
    Als wir ankamen, sagte ich: »Sie sind müde, Herr Professor. Ruhen Sie sich erst mal aus.«
    Er nickte.
    »Aber danach habe ich eine Bitte an Sie«, sagte er.
    »Ja?«
    »Würden Sie mich heute Abend zum Essen begleiten, Maya?«
    In dem Moment hatte ich damit nicht gerechnet. Noch dazu hatte er mich zum ersten Mal mit meinem Vornamen angesprochen.
    »Ich weiß nicht so recht … Ich habe ja meinen Sohn zu Hause und …«
    In verständnisvollem Ton bewahrte mich Professor Wagner davon, nach weiteren Worten suchen zu müssen.
    »Dann will ich Sie auch gar nicht weiter drängen. Ich danke Ihnen für alles.«
    Er lüpfte den Hut, verneigte sich leicht und ging auf die Hoteltür zu. Da rief ich ihm hinterher: »Herr Professor!«
    Er wandte sich um. Wieder hatte er so etwas Verständnisvolles im Blick.
    »Wann sollen wir essen?«, fragte ich.
    Er dachte kurz nach und sagte dann: »Ist acht Uhr in Ordnung?«
    »Ja. Möchten Sie im Hotel essen oder lieber woanders?«
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, bleiben wir doch lieber im Hotel.«
    Als ich wieder in den Mercedes einstieg, sah ich mich, nun schon beinahe gewohnheitsmäßig, um. Von den Männern war nichts zu sehen.
    Ich war müde. Jetzt zurück an die Uni und noch eine Stunde Kleinkram, bevor der mühsame Heimweg anstand. Aber ich freute mich auf das Abendessen.
    Ich sah nach vorne zu Süleyman. Ob er mir noch immer grollte? Es hatte nicht einmal den Anschein. Wahrscheinlich hatte er unser Gespräch schon vergessen. Oder aber das Trinkgeld des Professors hatte ihn besänftigt.
    »Ich habe nachgedacht«, sagte ich. »Vielleicht kann ich dem Rektor Ihren Neffen doch schmackhaft machen.«
    Er sah mich im Rückspiegel an und brauchte ein paar Sekunden, bis er begriff. Dann machte sich auf seinem Gesicht ein Lächeln breit.
    »Damit tun Sie ein gutes Werk.« Im Klageton fuhr er fort: »Er hat drei Kinder und ist arbeitslos. Danke.«
    »Schon gut. Ich versuche es morgen mal. Oder bei der ersten Gelegenheit.«
    Ich fühlte mich ein wenig schuldig und versuchte, an etwas anderes zu denken. Schweigend fuhren wir weiter.
    Als wir den Tarlabaşı Bulvarı erreichten, sagte ich: »Süleyman, wissen Sie was, fahren Sie mich am besten nach Hause, ich muss heute Abend noch für den Professor arbeiten.«
    »Klar«, erwiderte er fröhlich. »Wird erledigt. Ich bringe Sie jederzeit hin, wo Sie wollen, Sie brauchen es nur zu sagen.«
    Ich stieg in der Nähe meiner Wohnung aus und betrat einen Dönerladen, wo ich für Kerem sein heißgeliebtes Adana Kebap bestellte. Während es zubereitet wurde, besorgte ich noch schnell Obst und Schokoladeneis.
    Zu Hause traf ich Kerem schlafend an. Das war nicht seine Art. Er musste von der Müdigkeit übermannt worden sein. Beim Anblick seiner hübschen Gesichtszüge wurde mir warm umsHerz. Ich strich ihm zärtlich eine Locke aus der Stirn. In wachem Zustand hätte er das nicht zugelassen.
    Es tat mir in der Seele weh, dass er so ein Leben führen musste, aber es war nun mal nichts zu machen. Es hatten sich schon drei Therapeuten an ihm versucht, doch ohne Erfolg. Und das Schlimmste war, dass Kerem sich von Tag zu Tag noch weiter von mir entfernte.
    Ich straffte mich und holte Kerems Essen aus der Küche. Wie ein Wüstenwanderer, der auf einmal Wasser vor sich sieht, schöpfte ich neue Energie. Ich wollte so schnell wie möglich unter die Dusche.
    In meinem weißen Bademantel ging ich wieder zu Kerem, der noch immer schlief. Mein Blick fiel auf den schwarzen Bildschirm. Bestimmt hatte Kerem

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