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Serenade für Nadja

Serenade für Nadja

Titel: Serenade für Nadja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zülfü Livanelli
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hatte er alles geregelt.
    Dass man nicht den Vater anrief, wenn ein Junge in Schwierigkeiten steckte, war schon seltsam, dachte ich. Gerade den Vater musste man anrufen können, und nicht den Onkel. Doch dem, der Ahmet kannte, war sofort klar, warum ich anders gehandelt hatte. Mit seiner hohen, schlanken Gestalt und den braunen Haaren, die ihm in die Stirn fielen, war Ahmet durchaus als gutaussehend zu bezeichnen, aber das Ängstliche, ja Feige, das sich in seinem Gesicht widerspiegelte, machte jegliche Attraktivität auch schon wieder zunichte. Es mangelte ihm an Selbstvertrauen, und vermutlich lag das an seinem extrem selbstbewussten Vater.
    Mein ehemaliger Schwiegervater war ein ziemlich bekannter Politiker und ein Rassist. Er hatte sich der Aufgabe verschrieben, zu beweisen, dass unsere von Zentralasien nach Anatolien eingewanderten Stammväter die heldenhafteste und überlegenste Rasse der Welt seien, und gehörte der turkvölkischen Bewegung an, die seinerzeit Nazideutschland unterstützt hatte. Ahmet war jemand geworden, der nichts wagte, sich aus allem heraushielt, unfähig, sich um jemand zu kümmern, um eine Frau, ein Kind, einen Freund, immer fähig, einen zu verraten, ohne jegliches Rückgrat.
    Ich war furchtbar müde nach diesem langen Tag und wollte nach Hause, Kerem umarmen und dann ein heißes Bad nehmen. Ich holte mein Handy heraus und rief meine Freundin Filiz an, die als Ärztin an der Uniklinik arbeitete. Sie meinte, ein Mann im Alter des Professors könne sich leicht eine Lungenentzündung holen, und wir sollten doch gleich ins Krankenhaus kommen. Sie war nicht selber dort, würde aber den diensthabenden Arzt benachrichtigen.
    Sanft weckte ich den Professor auf.
    »Wir sind bald in Istanbul. Die beiden Herren werden Sie ins Krankenhaus bringen.«
    »Ins Krankenhaus?«
    »Ja, Sie waren völlig unterkühlt, da müssen Ihre Lungen untersucht werden.«
    »Und Sie?«
    »Ich bin völlig erschöpft und fahre nach Hause. Morgen besuche ich Sie im Krankenhaus.«
    »Und wer sind die beiden Herren?«
    Noch bevor ich etwas erwidern konnte, antwortete einer der beiden in fließendem Englisch: »Keine Sorge, Herr Professor, wir sind Freunde.«
    Da es näher zu mir nach Hause war, fuhren wir zuerst dort hin. Ich beugte mich vor und flüsterte: »Herr Professor, wer ist Sutuuma?«
    Fragend blickte er mich an. Er hatte mich wohl nicht verstanden. Auch konnte er kaum die Augen offen halten. Ich ließ aber nicht locker und rüttelte ihn mehrfach am Arm, damit er mir nicht wieder einschlief. Ich wiederholte die Worte, die er am Strand und im Motel gestammelt hatte und fragte wieder: »Wer ist Sutuuma?«
    Er verzog die Lippen, doch hätte ich nicht sagen können, ob lächelnd oder vor Schmerz. Dann murmelte er: »Es ist der Name eines Schiffes. Aus Rumänien.«
    Das Auto hielt vor meinem Haus, als seien die beiden schon x-mal dort gewesen. Der Professor schlief schon wieder, als ich mich bei den Männern bedankte und ausstieg. Der eine machte mir sogar die Tür auf.
    Drinnen erwartete mich eine Überraschung. Weder mein Bruder war noch da, noch die Leute vom Geheimdienst, und Kerem war so gut gelaunt wie lange nicht. Er hielt eine Riesentüte Chips in der Hand und lächelte mich an. Sogar umarmen ließ er sich.
    »Wo ist Onkel Necdet?«
    »Schon weg. Du sollst ihn morgen anrufen.«
    »Und die Männer?
    »Mit denen hat er geredet, aber ich weiß nicht, was. Dann sind sie gegangen. Onkel Necdet hat gesagt, ich brauche mich nicht zu fürchten, es sei alles in Ordnung, und du kämst bald heim. Aber jetzt sag doch mal, was los ist. Wer sind die Männer?«
    »Weißt du was, Kerem, darüber reden wir morgen, ich bin jetzt zu kaputt. Gib mir doch mal die Chipstüte.«
    Jetzt erst merkte ich, dass ich vierundzwanzig Stunden nichts gegessen hatte. Kerem wunderte sich, wie gierig ich das Zeug in mich hineinstopfte, von dem ich ihn immer fernzuhalten suchte. Die Chips schmeckten herrlich, ich hätte schwören können, noch nie so etwas Köstliches gegessen zu haben.
    »Jetzt reicht’s aber, Mama«, sagte Kerem lachend.
    »Tut mir leid«, erwiderte ich mit vollem Mund, »das muss jetzt sein.«
    Dann ging ich ins Bad. Unter der Dusche seifte ich mich ausgiebig ein und wusch mir die Haare. Danach wischte ich mit der Hand den beschlagenen Spiegel ab und schmierte mir reichlich Feuchtigkeitscreme auf Gesicht und Hals, die von der Kälte ziemlich mitgenommen waren. Ich zog meinen Morgenmantel an und ging gleich ins Schlafzimmer. Ich

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