Serenade für Nadja
schlief bis zum Morgen wie ein Stein.
7
Als ich um sieben Uhr aufstand, merkte ich, dass ich völlig traumlos geschlafen hatte. Es hatte mir gutgetan, so früh ins Bett zu gehen. Nun hatte ich einen Mordshunger.
Ich war nicht nur ausgeschlafen, sondern fühlte mich auch irgendwie leichter als sonst, von einer unerklärlichen Fröhlichkeit. Dabei gab es doch wirklich nichts zu lachen. Ganz im Gegenteil.
An der Uni hatte Süleyman den Hexenkessel wohl schon zum Brodeln gebracht, und die dicken, alten Weiber im Rektorat, die mich sowieso nicht ausstehen konnten, zerrissen sich bestimmt die Mäuler.
»Was, splitternackt?«
»Diese Maya hat mir noch nie gefallen.«
»Die mit ihrem hochnäsigen Gehabe. Immer muss sie gleich direkt zum Rektor.«
»Und das Getue, weil sie studiert hat.«
»Ein richtiges Miststück.«
»Dazu noch die Angeberei mit ihrem Englisch, und dass sie so viel liest.«
»Ihr Mann hat es ja nicht lange mit ihr ausgehalten.«
»Möchte bloß wissen, wie sie sich so gut mit dem Rektor steht.«
»Feste Arbeitszeiten kennt die nicht. Sie geht und kommt, wann es ihr passt.«
»Bin gespannt, wie sie sich da wieder rauswindet.«
Die alten Schachteln würden ihren Morgentee noch genüsslicher schlürfen als sonst. Der Professor war im Krankenhaus, zu meiner Wohnung hatten sich Geheimdienstler Zugang verschafft, ich steckte mitten in einer undurchsichtigen Affäre, und trotz alledem war ich unerklärlich gut gelaunt.
Vielleicht war es ja auch so, dass ich mein monotones Daseinganz einfach sattgehabt hatte. Kerem schien es ähnlich zu gehen. Zum ersten Mal seit Jahren hatte ich seine Grübchen wieder gesehen.
Ich ging in die Küche und bereitete mir meinen geliebten Earl Grey zu. Dann holte ich Wurst und vier Eier aus dem Kühlschrank. Ich schnipselte Wurstscheiben in die Pfanne und briet sie auf kleiner Flamme an, ohne Öl, denn die Wurst war fett genug. Ich schlug die Eier in die Pfanne und schaffte es, das Eigelb nicht zerfließen zu lassen. Dann schenkte ich den Tee ein, nahm die Pfanne vom Herd und ging damit in Kerems Zimmer. Der Junge schlief. Nicht einmal sein Atem war zu hören. Mein armes Kerlchen, dachte ich und küsste ihn sanft auf die Wange. Aber nicht davon wurde er wach, sondern von dem betörenden Duft aus der Pfanne.
Er schnupperte ein, zwei Mal, dann schlug er seine schönen Augen auf. »Mama?« Er stützte sich auf die Ellbogen.
»Da, habe ich dir gemacht, weil ich dir gestern die Chips weggegessen habe. Wasch dir kurz das Gesicht und komm, bevor es kalt wird.«
Meine Glücksgefühle rührten wohl vor allem daher, dass Kerem und ich uns in den letzten Tagen nähergekommen waren. Was Psychologen und Ärzte nicht hinbekommen hatten, war durch den Professor zustande gekommen. Allein dafür war ich ihm schon dankbar. Wie es ihm inzwischen wohl ging? Hoffentlich hatte er die Geschichte gut überstanden.
So gemütlich gefrühstückt hatte ich mit meinem Sohn schon ewig nicht mehr.
»Die waren völlig platt, Mama«, erzählte er aufgeregt, »weil ich mich gar nicht gefürchtet habe. Als ich sie gesehen habe, habe ich gleich gesagt, ›Ach, Sie sind bestimmt die Männer, von denen meine Mutter mir erzählt hat, kommen Sie doch herein‹. Da haben sie sich angeschaut, und dann sind sie in die Wohnung.«
Nebenbei schaufelte er sein Frühstück in sich hinein.
»›Dürfen wir uns ein wenig umschauen?‹, haben sie gefragt, da habe ich gleich zurückgefragt, ob sie einen Hausdurchsuchungsbefehl haben. Wo ich das her kenne, wollten sie wissen, und ichhabe gesagt, das kommt doch überall vor, bei Ally McBeal und bei CSI : Miami . Da haben sie gelacht und den Kopf geschüttelt, und ich habe mitgelacht. ›Sie können sich überall umsehen‹, habe ich gesagt, ›wir haben nichts zu verbergen‹. Dann ist es erst richtig losgegangen. Sie haben mich gefragt, ob der Computer mir oder dir gehört, und als ich gesagt habe, dass es meiner ist, waren sie nicht mehr dran interessiert. Die haben wohl gedacht, dass ich nur Spiele darauf spiele. Da habe ich gesagt, dass ich Recherchen drauf mache. ›Worüber denn?‹, haben sie gefragt und so komisch gelächelt dabei. Ich habe gesagt, über die Zeit, wo die deutschen und jüdischen Professoren hier waren, und besonders über Maximilian Wagner. Da haben sie sich wieder gewundert. Der mit dem Schnurrbart hat mich gefragt, woher ich das alles weiß, und ich habe gesagt, dass du mich gebeten hast, die Sachen zu suchen. Dann hast du angerufen, und
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