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Serenade für Nadja

Serenade für Nadja

Titel: Serenade für Nadja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zülfü Livanelli
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Mal wagte er es, seine Hand auf die von Nadja zu legen.
    »Machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Wir machen den Unterricht an einem völlig sicheren Ort, an dem Sie niemand belästigt.«
    Ein paar Tage später traf Maximilian gegen Abend die letzten Vorbereitungen. Die Gläser mit dem Fruchtsaft, die er in seinem Arbeitszimmer schon bereitgestellt hatte, bedeckte er mit der gleichen Art Servietten, die schon auf dem Teller mit dem Gebäck lagen. Als seine Mutter an dem Zimmer vorbeiging, lief er ihr hinterher.
    »Was meinst du, passt das Jackett zu der Hose?«
    »Ja, Max, das habe ich dir vorhin schon gesagt.«
    »Ach ja, stimmt. Oder soll ich das Jackett vielleicht besser ausziehen, was meinst du? Dann ziehe ich vielleicht besser ein dunkleres Hemd an?«
    »Hm, ja, du hast ja so ein schönes dunkles, zieh das an.«
    Auf der Stelle lief er hinüber in sein Zimmer. Die Mutter rief ihm hinterher: »Wie heißt noch mal das Mädchen, dem du Unterricht gibst?«
    »Nadja. Sie kommt gleich. Machst du ihr bitte auf, falls ich noch nicht fertig bin?«
    »Natürlich.«
    Die Mutter blickte auf die Uhr im Gang und musste schmunzeln. Es war noch eine halbe Stunde bis zum Unterricht.
    Dieser fand von da an zwei Mal jede Woche in Maximilians Zimmer statt. Und auch außerhalb des Unterrichts sahen die beiden sich immer öfter. Eigentlich bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Zwar ging die Initiative dazu fast nie von Nadja aus, aber das Mädchen ging auf alle Angebote Maximilians ein.
    Wieder einmal klangen an einem Wochenende die Töne eines Streichquartetts durch den Raum: zwei Geigen, eine Bratsche und ein Cello. Maximilian und seine Freunde trafen sich jede Woche zum Musizieren. Und in den letzten Wochen hatte das Quartett eine Zuhörerin bekommen: Nadja.
    An jenem Tag spielten sie Schuberts »Serenade«. Als die zu Herzen gehende Melodie sich immer mehr steigerte, stand Nadja auf und ging auf den Balkon hinaus. Man sah von dem Gebäude, das zur Universität gehörte, auf den leeren Garten hinunter. Da es am Wochenende keinen Lehrbetrieb gab, hatte auch Nadja ohne Sorgen kommen können. Während die jungen Leute weiterspielten, blieb sie reglos auf dem Balkon.
    Als sie fertig waren, trat Maximilian zu ihr, fasste sie an den Schultern und drehte sie zu sich um. Die schönen Augen des Mädchens waren voller Tränen. Schweigend sah sie ihm in die Augen, dann warf sie sich ihm schluchzend an den Hals.
    Als sie sich einigermaßen beruhigt hatte, fragte Maximilian: »Was macht dich so traurig?«
    »Ich erklär es dir später«, sagte sie nur.
    Ein paar Tage später, bei der Privatstunde im Haus der Eltern, kam Maximilian auf den Vorfall zurück, und diesmal gab das Mädchen bereitwillig Antwort.
    »Es wird dir vielleicht komisch vorkommen, aber wenn ich so etwas Schönes höre, empfinde ich nicht nur Freude, sondern zugleich auch Schmerz. Vielleicht weil ich fühle, dass hier über die Grenzen des Menschlichen hinausgegangen wird. Mir ist, als würde ich in eine existentielle Leere fallen. Wie kann ein Menschnur so etwas Schönes erschaffen? Das muss doch die Stimme Gottes sein.«
    Zur nächsten Probe des Quartetts erschien Nadja nicht. Maximilian sagte zu seinen Freunden, manche Menschen würden durch Musik eben auf ganz besondere Weise berührt, und er löste damit eine Diskussion aus.
    Und bevor sie auseinandergingen, erklärte er, er habe einen Entschluss gefasst: Er werde für Nadja eine Serenade komponieren und daran sein Herz und sein ganzes musikalisches Talent setzen.
    Maximilian und Nadja waren nun noch öfter zusammen. Sie gingen gemeinsam ins Gasthaus oder spazierten händchenhaltend durch den Englischen Garten. Wer sie dabei sah, dem bot sich ein recht kontrastreicher Anblick: Neben dem großen, blonden Mann ging ein zierliches Mädchen mit langen schwarzen Haaren und grünen Augen. Nadja war von ganz ungewöhnlichem Aussehen und wirkte, als stammte sie zugleich aus dem Norden und aus dem Süden. In Konzerte gingen sie nicht mehr gemeinsam. Eines Abends hatten sie zusammen Beethovens Fünfte gehört, unter der Leitung eines berühmten Dirigenten, doch hatte Nadja das ganze Konzert über nur geschwitzt, sich an die Stuhllehne gekrampft, und als sie schließlich Atemnot bekommen hatte, hatte Maximilian sie unter den missbilligenden Blicken der Umsitzenden aus dem Saal führen müssen. Maximilian spürte, wie seine Liebe von Tag zu Tag stärker wurde, aber zugleich begriff er noch etwas: Nadja hatte ein überaus sensibles

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