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Serenade für Nadja

Serenade für Nadja

Titel: Serenade für Nadja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zülfü Livanelli
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jemand einen Verdacht, denn einer nach dem anderen gingen Maximilians Kollegen auf Distanz. Als »absolut zuverlässig« konnten sie also kaum mehr gelten.
    Abgesehen davon galt niemand mehr als zuverlässig. Jeder misstraute jedem. Als Maximilian vom Rektor aufgefordert wurde, auf Hitler einen Treueid zu schwören, verweigerte er dies.
    Damit wurde es so gut wie unmöglich, dass sie noch länger in Deutschland blieben.
    Sie verbrachten Stunden damit, über eine Ausreise zu reden. Beide merkten, dass im Grunde ihr Entschluss längst gefasst war, und doch taten sie noch so, als müssten sie sich gegenseitig überzeugen. Als sie mit Maximilians Eltern darüber sprachen, schlossen die sich ihrer Meinung an.
    »Aber wohin sollen wir gehen?« fragte Nadja.
    »Nach Istanbul«, erwiderte Maximilian. »Dort werden wir uns ein neues Leben aufbauen. Es sind ja schon Freunde von mir dort.«
    Um die nötigen Pass- und Visumsangelegenheiten kümmerte sich Maximilians Vater, der in Berlin einflussreiche Bekannte hatte.Ihren Hausrat verkaufte das Paar an einen Trödler, der weitab von ihrem Viertel wohnte und sie nicht kannte. Als Professor Wagner seine Kündigung einreichte, gab er familiäre Gründe an.
    An einem Samstag stiegen sie in München in den Zug nach Paris. Als Letztes warf Maximilian am Bahnhof einen Brief an seinen Rektor ein. Trotz mehrerer Versuche war es Nadja nicht gelungen, ihn vom Schreiben dieses Briefes abzuhalten. Für Maximilian war er geradezu von historischer Bedeutung, sodass er es als seine Pflicht ansah, ihn abzuschicken. Er kritisierte darin das Dritte Reich und erklärte, wie stolz er sei, mit einer Jüdin verheiratet zu sein.
    Unterwegs sprachen sie wieder über ihre Pläne. Sie wollten eine Woche in Paris bleiben und dann nach Istanbul reisen. Berauscht von dem Gefühl, ein neues Leben zu beginnen, setzten sie sich in den Speisewagen.
    »Auf eine bessere Zukunft!«
    Maximilian war zum Feiern zumute. Die schwangere Nadja prostete ihm mit Wasser zu. Wegen der ständigen Anspannung litt sie schon seit Wochen unter Kopfschmerzen, und nun im Zug war es besonders schlimm.
    Kurz vor der französischen Grenze hielt der Zug.
    In der Gewissheit, dass alles bestens vorbereitet war, hielt Maximilian den Uniformierten die Pässe hin und schaute sie dabei kaum an. Wie vermutet bekam er die Papiere sofort zurück, und ihm und seiner Frau wurde sogar noch eine gute Weiterreise gewünscht. Vielleicht waren die beiden ja die letzten Deutschen, die sie im Leben zu sehen bekamen. Nun, nachweinen würden sie ihnen nicht.
    Nadja rieb sich andauernd die Schläfen. Maximilian schenkte ihr Wasser ein.
    »Liebling, nimm doch deine Medizin ein, bevor das Kopfweh noch schlimmer wird.«
    »Ich hab sie nicht dabei, sie ist im Koffer. Ich hol sie nachher.«
    »Lass nur, ich mach das schon.«
    Er stand auf und rieb nun seinerseits ein wenig Nadjas Schläfen.
    »Du wirst sehen, in Istanbul wird dein Kopfweh wie weggeblasen sein. Es kommt bestimmt nur von all dem Elend hier.«
    Er bedeutete Nadja zu warten und ging vom Speisewagen zu ihrem drei Waggons entfernten Abteil. Dort öffnete er den Koffer und suchte nach dem Medikament. Währenddessen fuhr der Zug wieder los und hielt nach kurzer Zeit wieder. Als Maximilian im Waschbeutel fündig geworden war, ging er in dem wackelnden Zug zum Speisewagen zurück und setzte sich an seinen Platz, an dem noch alles unverändert dastand. Nur Nadja fehlte. Vermutlich war sie auf die Toilette gegangen. Er nahm einen Schluck Wasser und legte das Medikament neben Nadjas Glas.
    Der Zug rauschte durch die Nacht. Seit sie dem Dritten Reich entronnen waren, schien das Schienenrattern viel fröhlicher zu klingen. Sie waren auf französischem Boden, und solange Frankreich nicht zusammenbrach, würden sie nicht nach Deutschland zurückkehren.
    Eine ganze Weile saß er alleine da, doch Nadja kam und kam nicht. Auch war ihm so, als ob manche Umsitzende ihm verstohlene Blicke zuwarfen. Irgendwann stand er auf, ging zur Toilette am Ende des Waggons und klopfte an die Tür.
    »Ist alles in Ordnung, Liebling?«
    Bald darauf wurde die Tür geöffnet, und ein Herr mit Fliege trat heraus. Da wandte sich Maximilian an den Kellner.
    »Sie erinnern sich doch an die Frau, mit der ich hier gegessen habe?«
    »Selbstverständlich.«
    »Wo ist sie denn?«
    »Ihre Frau ist an der Grenze von zwei Beamten aus dem Zug geholt worden. Anscheinend gab es mit ihrem Pass Schwierigkeiten.«
    »Was?!«
    »Wie ich es Ihnen sage:

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