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Serenade für Nadja

Serenade für Nadja

Titel: Serenade für Nadja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zülfü Livanelli
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Nachdem Sie weggegangen sind, sind zwei Uniformierte gekommen und haben Ihre Frau gebeten auszusteigen.«
    Er schien darüber Freude zu empfinden.
    »Soll das heißen, dass meine Frau in Deutschland geblieben ist?«
    »Genau das heißt es wahrscheinlich.«
    »Ich will sofort zurück!«
    »Das geht jetzt nicht. Bis zum nächsten Bahnhof ist es noch weit.«
    Entsetzt rannte Maximilian Richtung Lokführer. Ein Schaffner lief ihm hinterher und fuhr ihn an: »Was machen Sie da? Was wollen Sie?«
    Dann stieß er ihn, woraufhin Maximilian das Gleichgewicht verlor und mit dem Kopf gegen die Klinke einer Abteiltür prallte. Diese war das Letzte, was Maximilian in jener Nacht sah. Unmittelbar danach verspürte er einen heftigen Schmerz und verlor das Bewusstsein.
    Als Maximilian wieder zu sich kam, lag er in seinem Abteil im Bett. Der Kopf tat ihm weh. Es war furchtbar, was ihm da passiert war. Unglaublich. Er selber war in Frankreich und Nadja in den Händen der Polizei. Sofort musste er aus diesem Zug heraus. Wieder fing er an zu schreien und zu betteln. Aber es half nichts.
    In Paris rief er seinen Vater an. Der aber verhielt sich sonderbar am Telefon, als ob er nicht mit seinem Sohn redete, sondern mit irgendeinem Freund. Auch ging er gar nicht auf das ein, was Maximilian ihm erzählte.
    »Papa, was redest du da?«
    »In Ordnung, Kurt, ich ruf dich bei Gelegenheit zurück.«
    »Papa, ich bin in Paris. Hast du kapiert, was im Zug passiert ist?«
    »Gut, so machen wir es. Fahr am besten dorthin. Da bist du am besten aufgehoben.«
    »Papa, was willst du mir damit sagen? Dass ich nicht nach Hause fahren soll? Das kann ich sowieso nicht. Bei dem Brief, den ich dem Rektor geschrieben habe …«
    »Wir sind nicht allein im Haus!«, flüsterte der Vater auf einmal. Dann fuhr er mit normaler Stimme fort: »Also gut, Kurt, wie abgemacht, wenn du dort bist, meldest du dich, ja?«
    »Verstehe, Papa. Ich fahre nach Istanbul. Papa, bitte finde Nadja, bitte!«
    In Paris hatte Maximilian nichts zu tun. Weinend lief er in denStraßen der Stadt herum, in der er niemanden kannte. Er aß nichts, trank nichts und setzte sich auch nirgendwo hin. Sein Ziel war, müde genug zu werden, um endlich einschlafen zu können. Er musste es bis Istanbul schaffen, ohne verrückt zu werden. Denn er wollte leben. Für Nadja.
    In Istanbul erwartete eine Gruppe vorwiegend jüdischer Menschen einen Reisenden. Maximilians Freunde waren schon unterrichtet und taten alles, um ihm beizustehen.
    Obwohl sie einen erschöpften Mann erwartet hatten, konnten sie bei seinem Anblick ihre Überraschung nicht unterdrücken. Bis zu seinem Eintreffen in Istanbul hatte Maximilian sich in eine wandelnde Leiche verwandelt. Wie zum Kondolieren stellten die Freunde sich auf und umarmten ihn einer nach dem anderen.
    Maximilian musste Nadja unbedingt retten, und wenn es ihn selber das Leben kostete. Sollte es ihr irgendetwas nützen, so würde er nach Deutschland zurückkehren.
    Die Bekannten, die Maximilian in Istanbul hatte, wohnten so gut wie alle am Bosporus, die meisten im Viertel Bebek. Ihn brachten sie zunächst im Pera Palace unter, nach ein paar Wochen mieteten sie für ihn eine kleine Wohnung in der Nähe der Universität an.
    Als er sich einrichtete, bekamen als Allererstes Nadjas Sachen ihren Platz. Er bügelte ihre Kleider, stellte ihre Schuhe nebeneinander und platzierte ihre Parfums und Cremes auf den Toilettentisch. Auf das ihr zugedachte Nachttischchen kamen jene unseligen Kopfschmerztabletten. Dann hängte er alles auf, was er an Fotos von ihr hatte, einschließlich der Aufnahmen von der Hochzeit.
    Alles war bereit. Nur sie fehlte. Wie eine Maschine ging Maximilian zur Universität, hielt seinen Unterricht und lernte nebenbei Türkisch. Er war vollkommen davon besessen, Nadjas Aufenthaltsort herauszubekommen, doch war das furchtbar schwierig. Briefe mussten durch die Zensur und konnten ein halbes Jahr unterwegs sein. Auch Maximilians Vater konnte trotz all seiner Beziehungen nichts bewirken. Durch ihre jüdische Schwiegertochter waren Maximilians Eltern kompromittiert und selbst in Gefahr.
    Wenn Maximilian mit seinen Freunden, beziehungsweise mit den Leuten zusammenkam, die er in der Türkei neu kennenlernte, konnte er nicht immer nur über Nadja reden. Das Hauptgesprächsthema war ohnehin der mittlerweile ausgebrochene Krieg.
    Die Türkei hielt sich heraus und bemühte sich um gute Beziehungen zu allen Seiten, auch zu Deutschland. Staatspräsident İsmet İnönü,

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