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Serum

Serum

Titel: Serum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Reiss
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klang nicht müde. Sie klang sexy. Allein ihre Stimme löste wieder dieses Vibrieren in meinem Inneren aus. Alles an dieser Frau zog mich an – zumindest physisch.
    Ach, Mike. Du spielst wieder mit dem Feuer.
    Ich griff zum Zündschlüssel und beschloss, die Lektüre der Akte bis nach dem Essen zu verschieben. Wenn ich von Gabrielle ein paar vernünftige Auskünfte bekommen wollte, musste ich mich beeilen. Sie war nicht der geduldige Typ.
    Abgelenkt durch meine Gedanken, hatte ich eine plötzliche Bewegung zu meiner Linken übersehen. Zwei Männer – mindestens zwei – hatten mich schon fast erreicht, und jetzt hörte ich auch von rechts schnelle Schritte.
    Beim nächsten Mal werden Sie mich nicht kommen sehen, hatte der Mann heute Morgen gesagt.
    Verzweifelt versuchte ich, den Schlüssel ins Zündschloss zu fummeln, aber ich war zu langsam, und eine Stimme brüllte: »Keine Bewegung! Sie da! Sofort! Hände aufs Lenkrad!«
    Ich sah erst die Pistole, dann den Mann, der sie hielt. Er wirkte genauso erschrocken, wie ich es war. Die Beine gespreizt, die Arme ausgestreckt, zielte er auf mich. Er trug einen dunklen, zerknitterten Anzug, nichts Teures. Langsam begriff ich.
    Regierung.
    Die Stimme sagte: »Entriegeln Sie die Tür. Langsam, mit einer Hand.«
    Mein Herz klopfte so laut, dass ich das Klicken der Tür kaum hörte. Sie waren zu dritt, ein Blonder und zwei Dunkelhaarige. Hinter ihnen war die Tiefgarage, soweit ich sehen konnte, menschenleer.
    »Raus aus dem Wagen«, befahl der Blonde, und jetzt erkannte ich die Stimme von meiner Mailbox. Carl Eisner, der Mann, der behauptet hatte, vom militärischen Geheimdienst zu sein.
    Er war Mitte dreißig, hatte ein kantiges, sommersprossiges Gesicht, frisch rasiert, Bürstenhaarschnitt. Es war tief gefurcht und erfüllt von einer Härte, die das Gefühl der Bedrohung, das von diesem Mann ausging, noch verstärkte.
    »Sie sind schwer zu finden«, meinte Eisner, während er mein Handschuhfach durchwühlte. Der zweite Mann zog mich aus dem Auto, und der dritte öffnete den Kofferraum.
    »Lassen Sie das. Was soll das? Wonach suchen Sie?«, sagte ich und hörte aus meinem eigenen Mund die Worte, die ich früher immer mit Verdächtigen in Verbindung gebracht hatte.
    »Sie können Ihren Luxusschlitten stehenlassen«, höhnte Eisner. »Sie kommen mit uns.«

7
    S
    ie brachten mich zu einem unauffälligen Haus an der 26th Street in der Nähe des Hudson River. Man hatte hermetisch versiegelte Türen, Teppichböden zur Trittschalldämpfung und schusssichere, schalldichte Fenster eingebaut, alles im Rahmen des neuen Patriot Act. Der Raum, in dem ich Eisner an einem kleinen Tisch aus Walnussholz gegenübersaß, war kahl und in sanftem Grau gehalten, jenem »angenehmen Ton«, den FBI-Psychologen in den 1990ern empfohlen hatten. Die Mikrophone und Kameras verbargen sich bestimmt hinter den Öffnungen der Klimaanlage. Das Lichtschienensystem strahlte hell.
    »Erklären Sie es mir noch einmal, Mike. Was haben Sie so lange in Dwyers Haus gemacht, bevor Sie die Polizei riefen?«
    »Ich musste sicherstellen, dass der Firma kein Schaden entsteht. Das ist mein Job.«
    »Es ging Ihnen also nur um die Firma.«
    »Für Dwyer konnte ich nichts mehr tun. Wie ich schon sagte.«
    Eisner beugte sich vor. Er hatte mir weder meine Rechte vorgelesen noch Handschellen angelegt. Er war ein großer Bursche, nur Knochen und Muskeln, mit dem sonnenverbrannten Gesicht eines Farmers und den Schultern eines Footballspielers. Seine Finger krallten sich um einen Kaffeebecher mit der Aufschrift LIEBER ONKEL. Die Sehnen am Handgelenk traten hervor.
    »Mich interessiert mehr, was Sie nicht sagen«, meinte er. »Wo ist die Disk, Mike?«
    »Disk?«
    »Wie in ›Eisner meiden. Disk an Mike‹.«
    Das Blut wich aus meinem Gesicht. »Die Polizei hat Ihnen die Liste gegeben?«
    »Ich stelle hier die Fragen. Sie haben das Recht dazu verwirkt, Mike. Sie haben es eingetauscht gegen einen hübschen BMW und ein paar Privilegien.«
    »Ich weiß von keiner Disk.«
    Aus seiner Kehle drang ein verächtlicher Laut. »Dann erklären Sie mir doch, warum Sie Ihren neuen Vorsitzenden nicht sofort über den Todesfall informiert und sich anschließend nach Washington verdünnisiert haben.«
    Er trug das dichte Haar militärisch kurz geschnitten, mit altmodischen Koteletten. Seine Haltung war kompromisslos, die blauen Augen wirkten flach und hell und blieben absolut fokussiert, immer ein wenig zusammengekniffen, als hätte er zu viel Zeit

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