Serum
zu rekonstruieren. Sie kannte ihn besser als jeder andere, besser als seine Tochter. Warum wäre es also nicht geschäftlich, sie zu besuchen?«
»Ich glaube nicht, dass mir Gabrielle eine zweite Chance gibt.«
»Genau das befürchte ich.« Danny seufzte und streckte mir seine Pranke hin. »Gib mir deinen Hausschlüssel.«
Ich hielt ihn bereits in der Hand. Er wollte meine Wohnung überprüfen, während ich mit Gabrielle dinierte.
»Mach nichts kaputt«, sagte ich. Aber ich war etwas beruhigter.
»Bin gespannt, wer bei dir aufkreuzt, während du beim Abendessen bist«, meinte Danny.
»Gabrielle weiß nicht, wo ich wohne, Danny.«
»Ja, sie wirkt ja so unschuldig.«
Ich sagte Danny, er solle einen unabhängigen Rechercheur auf Naturetech ansetzen, eine Liste der Wellnesshotels bei Middleburg erstellen und verifizieren, ob Gabrielle in der vergangenen Nacht dort gewesen war. Dann nannte ich ihm den Zahlencode meiner Alarmanlage und erklärte ihm die Lage des Tastenfelds, links vom Eingang über dem Schirmständer.
»He, das ist doch Kims Geburtstag«, grinste er. »Was für ein Zufall!«
»Scher dich weg«, sagte ich und stieg in den Wagen.
Was ist das nur mit der Freundschaft zwischen einem Mann und einer schönen Frau? Niemand hält sie für möglich, aber das ist ein Irrtum. Was spricht dagegen, mit einer Frau zu Sportveranstaltungen zu gehen, mit ihr abzuhängen, ihr, falls nötig, zu helfen wie jedem anderen Freund? Ein Erwachsener sollte seine Triebe unter Kontrolle haben und die Freundschaft mit einer Frau genießen können, ohne gleich mit ihr ins Bett steigen zu wollen.
Ich bin doch keine siebzehn mehr, dachte ich, als das Handy klingelte. Ich steckte gerade auf der Triboro Bridge in dichtem Verkehr und sah die Lichter von Manhattan vor mir.
»Hier ist Hoot«, meldete sich eine aufgebrachte Stimme. »Die Schweine wollen mich hier nicht weglassen, bevor Sie wieder da sind. Alles wegen HF-109.«
»Was hast du rausgefunden?«
»Nazischweine. Die sind so was von fies!«
Ich versuchte, sie zu beruhigen, und fragte, wer sie denn festhielte. Keating hatte anscheinend Ralph Kranz, den Forschungsleiter, zur Schnecke gemacht, weil Hoot die Sicherheitsbarrieren seiner Abteilung geknackt hatte. Sie hatte ihm die Lücken im System demonstriert, und anstatt ihr dankbar zu sein, hatte Kranz sie seinerseits zusammengestaucht.
»Er hat sich vor versammelter Mannschaft über mein Nasenpiercing lustig gemacht«, sagte sie. »Was sind das bloß für Leute? Wenn sich einer nett anzieht, halten sie ihn für ein Genie, auch wenn er ein Erbsenhirn hat.«
»Ich bin gleich da. Hast du die Akte?«
»Was glauben Sie denn? Dass ich sie verbrannt habe?«
Ich hinterließ im Restaurant eine Nachricht für Gabrielle Dwyer, dass ich mich ein wenig verspäten würde. Der Verkehr ließ langsam nach, und ich schaffte es in zwanzig Minuten bis in die Innenstadt. Ich war müde, und mir fehlte das Verständnis für Kranz.
Ich hasse Menschen, die ihren Frust an Untergebenen auslassen. Sicher war ihm das Sicherheitsleck peinlich gewesen, aber deshalb musste er ja nicht gleich Hoot demütigen.
Sie saß mürrisch wie ein Teenager beim Schularrest in einem Besprechungszimmer, und in ihrer schwarzen Kluft mit den schwarzen Converse-Schuhen und schwarzen Socken sah sie auch so aus. Ihr Nasenpiercing war aus Silber, ebenso wie der einzelne Ohrhänger. Trotz ihrer hartgesottenen Art am Telefon sagte mir ein leiser Schweißgeruch, dass sie verängstigt und verletzt war. Hoot besaß den Verstand von Einstein und das Herz eines Kindes.
»Da ist Ihre blöde Akte«, sagte sie.
Ich wollte sie schon aufschlagen, aber da stürmte Kranz herein, ein kleiner, aufgeplusterter Mann Ende dreißig. Er wurde langsam kahl, ein birnenförmiger Westentaschennapoleon, ein absoluter Herrscher über seine Untergebenen. Er wäre nie auf die Idee gekommen, ich würde für Hoot Partei ergreifen. Selbst wenn zwei Leute aus dem Management sich privat an die Kehle gingen, sollten sie – nach Kranz’ Meinung – nach außen hin demonstrieren, dass die Chefs immer recht hatten.
»Sicher hatten Sie keine Ahnung, wie Ihre Leute herumlaufen, wenn Sie mal nicht da sind«, polterte Kranz los und heuchelte Verständnis, während er tatsächlich andeutete, dass meine Leute mir auf der Nase herumtanzten.
»Schlampige Klamotten, schlampiger Verstand«, meinte ich. »Etwas in der Art, ja?«
Nach allem, was heute geschehen war, fehlte mir die Geduld für solche
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