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Serum

Serum

Titel: Serum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Reiss
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jenen durchdringenden, mürrischen Zug wie auf allen Polizeizeichnungen der Welt.
    Vielleicht hatte ich ja auch wirklich so ausgesehen, als ich mich gestern Nacht über den Toten beugte.
    Kurzum, ein guter Polizist würde mich nach der Zeichnung vielleicht eines zweiten Blicks würdigen, aber er würde nicht gleich rufen: »Haltet den Mörder!«
    Ich überflog den Artikel. Asas Frau hatte bestätigt, dass ein Mann, auf den meine Beschreibung passte, gestern Abend auf der Suche nach ihm gewesen war. Die Cops wussten also von meinem Besuch im Blue Conch, und der Barmann würde ihnen sagen, dass er mich zu Dick Milenko geschickt hatte.
    Und Dick Milenko hatte meinen Lenox-Ausweis gesehen. Auch in Übersee konnte man ihn wahrscheinlich per E-Mail oder Telefon erreichen.
    Bis jetzt gab es keine Erwähnung von Lenox oder HF-109.
    WEGHIERWEGHIER!!!!
    Diesmal waren es keine Worte in meinem Kopf, sondern ein schrilles Gefühl der Gefahr, das jeden Muskel meines Körpers ergriff. Ich fuhr hoch, drehte den Zündschlüssel und fuhr langsam weg, obwohl alles in mir schrie, aufs Gas zu treten. Ich erwartete, eine Sirene zu hören, doch nichts geschah.
    Erst als ich in den Rückspiegel sah, bemerkte ich einen kleinen Jungen, der mir nachstarrte. Er hielt die Leine eines Beagles in der einen und eine Zeitung in der anderen Hand. Sein Blick glitt zwischen der Zeitung und mir hin und her.
    Das war das zweite Mal, dass mich in den letzten zehn Minuten dieses Gefühl überfallen hatte. Beide Male war es aus dem Nichts gekommen, beinahe wie eine gellende Stimme in meinem Kopf. Jedes Mal hatten sich die Kopfschmerzen plötzlich verschlimmert.
    Ich muss den Kleinen aus dem Augenwinkel bemerkt haben, versuchte ich mir einzureden. Mein Unterbewusstsein hat mir gesagt, dass ich besser losfahren sollte.
    Oder wäre es möglich … denkbar … dass du tatsächlich ihre Absichten wahrnimmst? Genau um diesen Effekt ging es doch.
    Im Geiste sah ich immer noch die Angst im Gesicht des Ladendiebs aus dem Sportgeschäft.
    Und der kleine Junge, der in die Zeitung schaute …
    Ich war so sicher, so überzeugt gewesen …
    Nur keine voreiligen Schlüsse, dachte ich.
    Das Telefon zirpte. Es war noch einmal Gabrielle, und wenn sie es zweimal in ein paar Minuten versuchte, musste es wichtig sein.
    Diesmal meldete ich mich und sagte ihr, sie solle auflegen und mich von einem Münztelefon aus anrufen.
    Acht Minuten später klingelte es wieder. Als ich hörte, was sie zu sagen hatte, fing der Ausschlag an meinem Arm zu jucken an.
    »Ein Päckchen von Ihrem Vater?«, fragte ich.
    »Anscheinend hat er Ihnen die Disk doch noch geschickt, Mike.«
     
    »Es kam per Boten. Mit einer Nachricht.«
    »Lesen Sie sie vor.«
    »Da steht: ›Gabby, wenn du das hier erhältst, bin ich im Gefängnis …‹«
    »Gefängnis?«, wiederholte ich verdutzt.
    »›Im Gefängnis oder verschwunden, was bedeutet, dass ich nach dem Patriot Act verhaftet, aber nicht angeklagt worden bin. Wir beide haben keine nennenswerte Beziehung zueinander, daher wird niemand auf die Idee kommen, dass ich dir das hier geschickt habe. Keating und Schwadron haben hinter meinem Rücken einen Handel mit einem anderen sogenannten Freund aus Washington geschlossen. Meinem alten Kumpel A. J. Carbone. Die Disk wird alles erklären. Versuch nicht, sie zu öffnen. Gib sie Mike Acela, unserem Sicherheitschef. Geh nicht zur Polizei. Sprich nicht mit Major Carl Eisner, der vielleicht mit dir Kontakt aufnehmen und versuchen wird, dich einzuschüchtern, damit du kooperierst. Sag niemandem bei Lenox, dass du das hier hast. Du kannst Mike vollauf vertrauen. Er wird das Richtige tun.‹«
    »Ich verstehe das nicht«, sagte sie.
    Ich war verblüfft, dass er die Gefahr, in der er schwebte, so sehr unterschätzt hatte. Sein Vertrauen in mich schmeichelte mir, aber die kaltschnäuzigen Instruktionen an eine Tochter, mit der er seit Jahren kein Wort sprach, bestürzten mich. Kein Wort der Zuneigung. Nur ein herrischer Marschbefehl in der Gewissheit, dass sie gehorchen würde.
    »Jetzt verstehen Sie mich vielleicht besser, Mike. Er muss gewusst haben, dass Eisner Ihr Haus nach der Disk durchsuchen würde.«
    »Nun, offensichtlich hat er Ihnen vertraut«, meinte ich, um ihr ein bisschen Selbstachtung zurückzugeben. Mir diesen Schrieb vorzulesen, musste erniedrigend für sie gewesen sein.
    Ich hörte ein Kichern. »Ziemlich armselig, nicht wahr, wenn die einzigen Menschen, die man um Hilfe bitten kann, eine verlorene

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